Dok. 11-291

Der Ältestenrat der Juden in Prag berichtet dem Zentralamt für die Regelung der Judenfrage am 9. Februar 1945 über die ordnungsgemäß abgewickelten Deportationen nach Theresienstadt


Am 29. Januar 1945 wurde dem Judenältesten der Auftrag erteilt, einen

Am 29. Januar 1945 wurde dem Judenältesten der Auftrag erteilt, einen

Orte
  • Grenze Staatsgrenzen von 1937
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Personen

Ernst Girzick (*1911), Elektrotechniker; 1931 NSDAP-Eintritt; 1936 Angehöriger der Österreichischen Legion; 1938 erst bei der Vermögensverkehrsstelle in Wien, dann bei der Zentralstelle für jüdische Auswanderung tätig, 1943 Mitarbeiter des Zentralamts für die Regelung der Judenfrage in Prag, 1944 beim Sonderkommando Budapest; 1946 verhaftet und 1948 vom österreich. Volksgericht zu 15 Jahren Kerkerhaft verurteilt, 1953 begnadigt.

Skript

Betrifft: Bericht Arbeitertransport

Vorgang: Auftrag des Herrn SS-Obersturmführers Girczik

Am 29. Januar 1945 wurde dem Judenältesten der Auftrag erteilt, einen Transport von 1000 Juden für den geschlossenen Arbeitseinsatz in Theresienstadt abzufertigen, der am 31.Januar 1945, 7 Uhr früh vom Bahnhof Bubna abzugehen hat. Für diesen ersten Transport wurden die Belegschaft der Glimmerspalterei sowie 200 Arbeiter vom Hagiborplatz, insgesamt 1089 Personen, am 30. Januar aufgerufen und nach Ausscheiden der Transportunfähigen, Ausländer und strittigen Fälle sind 1048 Erwachsene und 7 Kinder angetreten und am 31. Januar 1945 früh vom Bahnhof Bubna in bester Ordnung und Disziplin abgefahren. Die Arbeit wurde tadellos bewältigt, obzwar gleichzeitig auch das Material und die Einrichtung der Glimmerspalterei mitverladen wurde. Die Einberufung erfolgte für 20.00 Uhr abends, und bis 22.00 Uhr waren alle Aufgerufenen erschienen und in der Nacht – obzwar die Straßenbahn ab ½ 23 Uhr nicht mehr fährt, wurden alle nötigen Recherchen durchgeführt, so daß bereits am nächsten Tage eine Abrechnung über jeden einzelnen Fall vorgelegt werden konnte. Abgängig waren bloß zwei Frauen. Die Disziplin war ausgezeichnet, und die Stimmung war eine würdige.

Am 1. Februar 1945 wurde dem Judenältesten der Auftrag erteilt, die restlichen Arbeitergruppen sowie alle in Frage kommenden Personen – außer den Mitarbeitern des Ältestenrates der Juden – für einen zweiten Transport aufzurufen. Am 2. Februar 1945 wurden alle 1078 Personen, die in der Vorliste waren, einschließlich der im ersten Transport krank Gemeldeten, aufgerufen. Am nächsten Tage, dem 3. Februar 1945, sind ordnungsgemäß 894 Erwachsene und ein Kind angetreten. Die Abfertigung war eine schwierige, weil sich unter den Teilnehmern sehr viele Kranke befanden und eine große Anzahl der Hagibor-Insassen wegen Arbeitsunfähigkeit, nach ärztlicher Untersuchung, ausgeschieden wurden und begreiflicherweise auch die krankheitshalber bisher Unbeschäftigten eingereiht werden mußten. Trotz der Fahrtschwierigkeiten ist der Transport ordnungsgemäß angetreten und am 4. Februar um 7 Uhr früh vom Veitsberger Bahnhof abgefahren. Die Disziplin war gut. Abgängig waren insgesamt 9 Personen. Auch bei diesem Transport, obzwar – wie bei dem ersten – kaum 24 Stunden den Aufgerufenen zur Verfügung standen, um sich vorzubereiten und um für die Betreuung der zurückgelassenen Kinder Sorge zu tragen, erfolgte die Abwicklung ordnungsgemäß.

Am 7. Februar 1945 wurde der Auftrag erteilt, einen weiteren Transport für den 10. Februar aufzurufen, der am 11. Februar früh abzugehen hat. Für diesen Transport wurde der Auftrag erteilt, daß die jüdischen Kinder von den Transporteilnehmern mitgenommen werden müssen. Diese Verfügung hat bei den arischen Frauen, die sich von ihren auch den kleinsten Kindern trennen sollten, eine große seelische Erschütterung hervorgerufen, und die dadurch verursachte Panik wurde noch durch die Nachricht von einer Reihe von Selbstmordversuchen erhöht, was auch nicht ohne Folgen auf die Männer geblieben ist, die sonst – selbst in sehr bedauernswerten Fällen (bei schwerkranken Frauen, die sie zurückließen) – ihre Fassung bewahrten, da sie den Transport als einen wirklichen Arbeitstransport betrachteten. Die Arbeiten des Ältestenrates der Juden werden noch dadurch erschwert, daß fast der ganze Mitarbeiterstab eingereiht wurde. Die panikartige Stimmung kann begreiflicherweise keine Erleichterung der Arbeit bedeuten. Die Betroffenen haben in ihrer Verzweiflung ständig den Ältestenrat der Juden bestürmt, in der Hoffnung, eine Milderung dieses für sie so schrecklichen Schicksales zu erzielen. Es war schwer möglich, ihnen begreiflich zu machen, daß tatsächlich ein solcher Auftrag vorliegt. Auch ergeben sich für die Abwicklung des Transportes dadurch große Schwierigkeiten, daß es für einen Mann schwer ist, außer seinem Gepäck noch ein oder mehrere, manchmal kaum über ein Jahr alte Kinder mitzunehmen und zu betreuen, um so mehr als durch den Arbeitseinsatz in den letzten Jahren sich die Männer den Kindern nicht widmen konnten, so daß diese noch mehr an ihren Müttern hängen. Die Vorliste enthält 913 Namen von Erwachsenen und sind alle Vorbereitungen getroffen, damit der Transport, trotz aller technischer Schwierigkeiten – von denen nicht die geringste ist, daß nach 17.00 Uhr kein elektrisches Licht gebrannt werden darf, was die Nachtarbeit sehr erschwert – ordnungsgemäß abgewickelt wird.