Dok. 06-177

SS-Hauptsturmführer Alois Brunner empört sich am 17. Oktober 1942 darüber, dass sich Fanny Dux und ihre Ziehtochter gegen antijüdische Maßnahmen wehren

Im Zuge einer Überprüfung der evakuierungsfähigen Juden wurde auch obige Jüdin

Im Zuge einer Überprüfung der evakuierungsfähigen Juden wurde auch obige Jüdin

Orte
  • Grenze Staatsgrenzen von 1937
Personen

Alois Brunner (1912-2001?), Kaufmann; 1931 NSDAP- und SA-, 1938 SS-Eintritt; bis 1938 als Verkäufer und Dekorateur, von 1938 an beim SD und der Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Wien tätig, seit 1941 deren Leiter; 1942 SS-Hauptsturmführer; organisierte von 1939 bzw. 1941 an die Deportation der Juden aus Österreich, Berlin, Griechenland, Frankreich und der Slowakei; lebte 1947–1954 unter falschem Namen in der Nähe von Essen, 1954 in Paris in Abwesenheit zum Tode verurteilt, floh nach Syrien.

 

Fanny Dux (1878-1943), Lehrerin; am 25.2.1943 von Wien nach Theresienstadt deportiert und dort umgekommen.

 

Margarethe Dux (1914-2006) Schauspielerin; 1937-1974 spielte sie als festes Ensemblemitglied des Burgtheaters Wien in zahlreichen Nebenrollen; vermutlich 1940 heiratete sie den Kaufmann Eduard Bernhuber; nach 1945 trat sie auch gemeinsam mit ihren beiden Kindern sowie in Nebenrollen in Spielfilmen auf.

 

Eduard Bernhuber (*1897); 1933 NSDAP-Eintritt; von Juli 1934 an für das Forschungsamt des Reichsluftfahrtministeriums als Spion in Paris tätig, wo er 1935 festgenommen und zu fünf Jahren Haft in Poissy verurteilt wurde.

Skript

Schreiben des Inspekteurs der Sicherheitspolizei und des SD in Wien, Abwicklungsstelle der Zentralstelle für jüdische Auswanderung, gez. Brunner, an das Zentralbüro des Reichsstatthalters

 

Betrifft: Jüdin Fanny Sara Dux, geb. am 10.1.1878, wohnhaft Wien, Schubertring 9. […]

 

Im Zuge einer Überprüfung der evakuierungsfähigen Juden wurde auch obige Jüdin in die Zentralstelle vorgeladen. Der Vorladung hat sie jedoch nicht Folge geleistet und mußte durch einen Kriminalbeamten vorgeführt werden. Bei ihrer Vorführung ist auch ihre Ziehtochter, die Burgschauspielerin Margarethe Dux, verehelichte Bernhuber, erschienen und machte hier Mitteilung, daß ihre Stiefmutter nicht Jüdin sei, sondern jeden Tag ihre Entscheidung als Mischling falle, weil sie Russin ist.

Ich habe Frau Bernhuber kurz die Einstellung des Deutschen Volkes zum Judentum erklärt und sie gebeten, obwohl es für sie hart sein wird, sich von der jüdischen Stiefmutter loszusagen. Frau Bernhuber zeigte jedoch dafür kein Verständnis und bin ich überzeugt, daß sie unter allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln versuchen wird, die Volljüdin zum Mischling erklärt zu erhalten.

Die Jüdin Dux hat bis heute den für Juden vorgeschriebenen Judenstern nicht getragen und ebenso auch ihre Wohnungstür mit dem Judenstern nicht gekennzeichnet. Des weiteren war sie auch zu bequem, sich im 2. Bezirk die jüdischen Lebensmittelkarten zu besorgen und die Lebensmittel in jüdischen Geschäften einzukaufen. Anstatt dies zu tun, hat sie monatelang von den Lebensmittelmengen der Frau Bernhuber, welche zwei Kleinkinder hat, mitgelebt. Die Jüdin gibt hier selbst frech an, daß kleine Kinder ja nicht so viel essen und für sie daher selbstverständlich genügend da war. Bei der heutigen Lebensmittelversorgung ist es ausgeschlossen, daß bei 3 Personen eine 4. Person mitessen kann und somit könnte unter Umständen die Jüdin auch Frau Bernhuber zum Erwerb von Lebensmitteln im Schleichhandel Anlaß geben. Außerdem gefährdete die Jüdin die Gesundheit der beiden Kinder, da sie doch von ihren Lebensmittelmengen zum Teil auch lebte.

Dies alles beweist schon, daß es sich im Falle der Jüdin Dux um keine Russin handelt, weil eine Russin in solchen Angelegenheiten familiärer denkt und gerne den Weg in den 2. Bezirk angetreten hätte, damit ja von den Lebensmittelmengen der Kinder für sie nichts gebraucht wird. […]

Eine Überprüfung ihrer Abstammung ergab, daß sie 100 %ig Volljüdin ist, und zwar ist ein Name Grossmann in Russland ein nur bei Juden vorkommender Name […]. Ich habe die Jüdin angewiesen, ab sofort den Judenstern zu tragen und sich die jüdischen Lebensmittelkarten zu beschaffen und in Hinkunft in den für Juden vorgeschriebenen Geschäften sich die Lebensmittel zu kaufen. Frau Bernhuber habe ich auch fernmündlich von dem Sachverhalt unterrichtet, jedoch gespürt, daß sie sich unter keinen Umständen im Geringsten von der Jüdin lossagen will. […]

Da im Haus der Schauspielerin Bernhuber wahrscheinlich verschiedene in Partei und Staat tätige Personen verkehren, sowie ihr Mann selbst Parteigenosse ist, wäre eine Herausnahme der Jüdin aus der Familie, wenn es auch für Frau Bernhuber im Anfange schwer ist, meines Erachtens das Richtige.