Dok. 16-138

Stanisław Kłodziński und Józef Cyrankiewicz berichten am 6. September 1944, die SS-Führung wolle das gesamte Lager liquidieren lassen, um Spuren zu beseitigen

Der ehemalige Kommandant von Auschwitz und Birkenau

Der ehemalige Kommandant von Auschwitz und Birkenau

Orte
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Personen

Stanisław Kłodziński (1918–1990), Arzt aus Krakau; Aug. 1941 bis Jan. 1945 politischer Häftling in Auschwitz, dort aktiv im Lagerwiderstand, Arzt im Block 20 des Stammlagers, wo er zahlreiche Kassiber an die Untergrundbewegung außerhalb des Lagers schrieb, im Jan. 1945 Transport nach Mauthausen; nach dem Krieg Arzt in Krakau, Autor zahlreicher Artikel über die Geschichte von Auschwitz

 

Józef Adam, die Vornamen von Cyrankiewicz; später verwendete er die Kürzel „J“, „Rot“ und „Tor“. Józef Cyrankiewicz (1911–1989), Jurist; 1935–1939 aktiv im Bezirksarbeiterkomitee in Krakau, PPS-Funktionär (Polska Partia Socjalistyczna (Polnische Sozialistische Partei)); 1941 verhaftet und nach Auschwitz überstellt, führende Figur des Lagerwiderstands in Auschwitz, in Mauthausen befreit; nach dem Krieg Generalsekretär der PPS, 1947–1952 und 1954–1970 Ministerpräsident der Volksrepublik Polen.

 

Rudolf Höß (1901–1947), Landwirt; 1922 NSDAP-Eintritt; 1924 zu zehn Jahren Zuchthaus wegen Beteiligung an einem Fememord verurteilt, 1928 entlassen, 1933 SS-Eintritt, 1934 Blockführer in Dachau, 1938 Adjutant in Sachsenhausen, 1939 Schutzhaftlagerführer in Sachsenhausen, Mai 1940 bis Nov. 1943 sowie Mai 1944 bis Juli 1944 Kommandant in Auschwitz, von Nov. 1943 an mit Unterbrechungen Amtschef D I im SS-WVHA; in Krakau zum Tode verurteilt und hingerichtet.

 

Otto Moll (1915–1946), Gärtner; 1935 SS-Eintritt; 1938–1941 KZ Sachsenhausen, 1941–1944 in Auschwitz, 1943 Leitung der Sonderkommandos, von Sept. 1943 an Lagerführer in Fürstengrube und Gleiwitz I, Mai/Juni 1944 Leiter der Krematorien II bis V in Birkenau, Ende 1944/Anfang 1945 beteiligt an Mordaktionen in Sachsenhausen und Ravensbrück, Ende Febr. 1945 Lagerführer im Kaufering-Komplex; 1945 im Dachau-Hauptprozess zum Tode verurteilt, 1946 hingerichtet.

Skript

Kassiber, gez. Stakło und J, an Tell

L[iebe] Tell.
Nach London senden.
Der ehemalige Kommandant von Auschwitz und Birkenau (eine Außenstelle von Auschwitz, 1 km entfernt), der berüchtigte Massenmörder Obersturmbannführer Höß, der vor kurzem die Vergasungsaktion von Hunderttausenden Juden aus Ungarn leitete, ist zurzeit als Vertrauensmann von Himmler und als sein Offizier für besondere Aufgaben mit einer neuen, besonderen Aufgabe betraut worden.
In diesem Zusammenhang wandte er sich an eine Reihe von SS-Führern mit Fragen bezüglich der technischen Möglichkeit der vollständigen Auflösung des Lagers in Birkenau, bei dem sich die Vergasungsstätten und das Krematorium befinden. In diesem Lager, das eine Außenstelle von Auschwitz darstellt, das sogenannte Auschwitz II, sind zurzeit 16 727 Männer und 39 125 Frauen inhaftiert.
Unter anderem wandte er sich mit dieser konkreten Frage an den Kommandanten dieses Lagers und an den Leiter der Gaskammern und Krematorien, den bekannten Mörder SS-Scharführer Moll.
Welche technischen Mittel benötigt man zur Durchführung einer solchen Aktion, damit keine Spuren von Menschen oder Wohngebäuden und vor allem von Gaskammer und Krematorium bleiben, damit das Lagergelände schnell planiert werden kann?
Es ging also um einen groß angelegten Versuch, alle Spuren des Lagers zu beseitigen, in dem Millionen Menschen in Gaskammern starben, sowohl Häftlinge als auch Juden, die aus ganz Europa hierher gebracht wurden. Sie wollen also verhindern, dass es Beweise für diese Verbrechen gibt, wie sie sie in Lublin hinterlassen haben.
Die Antwort von Moll lautete: Er ist bereit, sich darum zu kümmern, wenn er motorisierte SS-Einheiten, Artillerie für den Beschuss und die Vernichtung der Blocks, sechs Flugzeuge für Bombardierungen sowie anschließend eine entsprechende Anzahl von Menschen zur Verfügung gestellt bekommt, die das Gelände aufräumen, so dass es dort harmlos aussieht.

Tell.

Die Angelegenheit könnte schon vollständig entschieden sein, da Höß bereit ist, die technischen Mittel zu beschaffen. Im Moment scheitert es nur noch daran, dass die Ausführenden einen schriftlichen Befehl verlangen. Aber es ist schließlich eine von diesen Arbeiten, die man ganz vertrauensvoll und ohne schriftliche Spuren erledigt. Wir haben es derzeit mit dem größten Versuch zu tun, die Spuren der Verbrechen zu verwischen – an einem Ort, der bereits zum Symbol der Hitler-Verbrechen geworden ist. So ein Ort ist Auschwitz.

Schnellstmöglich weiterleiten und über Radio in Umlauf bringen. Herzliche Grüße