Dok. 16-129

Leon Kubowitzky fordert am 1. Juli 1944, Auschwitz nicht aus der Luft zu bombardieren, sondern durch Fallschirmspringer anzugreifen

Gestatten Sie mir, auf den Vorschlag zurückzukommen

Gestatten Sie mir, auf den Vorschlag zurückzukommen

Orte
  • Grenze Staatsgrenzen von 1937
  •  
Personen

Dr. Arieh Leon Kubowitzky, später Kubovy (1896–1966), Jurist; emigrierte 1906 aus Litauen nach Belgien, 1940 in die USA, 1943/44 Leiter der Abt. für Angelegenheiten des europäischen Judentums beim WJC in New York, 1945–1948 Generalsekretär des WJC; 1948 Emigration nach Israel, 1949–1953 israel. Gesandter in Polen und der Tschechoslowakei, 1957/58 in Argentinien, Chile und Paraguay, 1959–1966 Vorsitzender der Yad Vashem Remembrance Authority in Jerusalem.

 

John W. Pehle (1909–1999), Jurist; 1934–1940 Sachverständiger für Währungsangelegenheiten beim US-Schatzamt, 1940–1944 stellv. US-Finanzminister, Febr. 1944 bis Jan. 1945 geschäftsführender Direktor des War Refugee Board in Washington; kehrte nach dem Krieg kurzzeitig ins Treasury Department zurück und arbeitete danach als Rechtsanwalt.

 

Lawrence S. Lesser (1907–1979), Jurist; Staatsanwalt in New York City, von 1937 an Tätigkeit in der Securities and Exchange Commission, danach im Treasury Department, von 1944 an Mitglied im Executive Office of the President des War Refugee Board; nach dem Krieg Rechtsanwalt.

Skript

Schreiben von Leon Kubowitzky, Vorsitzender des Rescue Department des World Jewish Congress, an John Pehle, War Refugee Board, Treasury Building, Washington D.C.

 

Sehr geehrter Herr Pehle,
gestatten Sie mir, auf den Vorschlag zurückzukommen, den ich Herrn Lesser im Rahmen unserer Zusammenkunft am 28. Juni unterbreitet habe.
In Anbetracht der offensichtlichen Entschlossenheit der deutschen Regierung, die Vernichtung der Juden zu beschleunigen, frage ich mich, ob es nicht möglich wäre, das Tempo der Ausrottung erheblich zu verzögern, indem man die Instrumente der Vernichtung – die Gaskammern, die Gaswagen und die Todesbäder – zerstört. Sie werden sich sicherlich an die Ereignisse im August und Oktober 1943 erinnern, als revoltierende Juden die Anlagen in Treblinka und Sobibor in Brand gesetzt haben. Der Aufstand gipfelte in der Flucht einer größeren Anzahl von Juden aus diesen Lagern.

Es gibt drei Regierungen, die ein unmittelbares Interesse daran haben, die Massaker zu beenden: die sowjetische Regierung, deren gefangen genommene Soldaten nach Auskunft eines Telegramms, das am 22. Juni beim polnischen Informationszentrum einging und von dem eine Kopie beigelegt ist, in den Gaskammern von Oświęcim umgebracht werden; die tschechische Regierung, deren Bürger in Birkenau ermordet werden, und aus naheliegenden Gründen die polnische Regierung.
Die Zerstörung der Tötungsanlagen kann nicht durch Bombardierungen aus der Luft erfolgen, weil die in diesen Lagern eingesperrten Juden die ersten Opfer wären und derartige Bombenangriffe den Deutschen zudem einen willkommenen Vorwand liefern würden zu behaupten, die von ihnen ermordeten Juden seien von den Bomben der Alliierten getötet worden.
Ich habe Herrn Lesser vorgeschlagen, sich an die sowjetische Regierung zu wenden und sie aufzufordern, Fallschirmjäger in den Lagern landen zu lassen. Sie müssten dort die Gebäude einnehmen, die Mörderbande ausschalten und die bedauernswerten Häftlinge befreien. Außerdem sollte die polnische Regierung veranlasst werden, den polnischen Untergrund anzuweisen, entsprechende Lager anzugreifen und die Tötungsmaschinen zu zerstören.

Hochachtungsvoll

P.S. Ich lege einen Bericht mit dem Titel „Drei Jahre in der Hölle von Oświęcim“ bei, der am 16. Juni vom Polish Jewish Observer veröffentlicht wurde.