Dok. 16-062

Henryk Tauber ist als Mitglied des Sonderkommandos im März 1943 Zeuge der Inbetriebnahme von Krematorium II

Am 4. März wurden wir, von SS-Männern bewacht, auf

Am 4. März wurden wir, von SS-Männern bewacht, auf

Orte
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Personen

Henryk Tauber Fuchsbrunner, später Henry Fuchs (1917–2000), Schaftmacher; im Nov. 1942 im Krakauer Getto verhaftet und im Jan. 1943 nach Auschwitz deportiert, dort Mitglied des Sonderkommandos, Teilnahme am Aufstand des Sonderkommandos im Okt. 1944, Jan. 1945 Flucht auf dem Todesmarsch bei Pless; betrieb nach dem Krieg mit seinem Bruder in München eine Lederfabrik, 1952 in die USA ausgewandert.

 

Jan Sehn (1909–1965), Jurist; befragte 1945–1947 als Ermittlungsrichter im Rahmen der Kommission zur Untersuchung der Hitlerverbrechen in Oświęcim Zeugen und führte Untersuchungen auf dem Gelände des ehemaligen Lagers Auschwitz-Birkenau durch, von 1949 an Leiter des Instituts für Forensik in Krakau, von 1961 an außerordentlicher Professor in Krakau.

 

Edward Pęchalski (1905–1983), Jurist; 1936 stellv. Oberstaatsanwalt am Bezirksgericht Krakau; 1945 Mitglied der Kommission zur Untersuchung der Hitlerverbrechen in Oświęcim, stellv. Oberstaatsanwalt am Appellationsgericht Krakau, von 1950 an Rechtsanwalt in Krakau.

 

August Brück (1897–1943), Schlosser; als „Berufsverbrecher“ Häftling im KZ Buchenwald, am 4.3.1943 nach Auschwitz überstellt, dort Oberkapo im Krematorium II, starb an Fleckfieber.

 

Dr. Josef Mengele (1911–1979), Mediziner und Anthropologe; 1937 Assistent des Rassehygienikers Otmar von Verschuer; 1938 SS-Eintritt; 1940 Arzt im Rasse- und Siedlungshauptamt, 1942 Fronteinsatz, Mai 1943 bis Jan. 1945 Lagerarzt in Auschwitz-Birkenau, maßgeblich beteiligt an Selektionen und Gasmorden, von Febr. 1945 an Standortarzt in Groß-Rosen; nach dem Krieg Flucht nach Argentinien, 1958 Flucht nach Paraguay, 1960 nach Brasilien.

 

Vermutlich Victor Chaimies (*1914), Volksdeutscher aus Kretinga, Litauen, SS-Rttf., Angehöriger der SS-Sanitätsstaffel, Verbleib unbekannt. Die SS-Sanitätsstaffel bildeten 30 im SS-Revier eingesetzte SS-Männer. Einige von ihnen waren in der Anwendung von Giftgas geschult und waren Mitglieder im SS-Desinfektionskommando, das bei der Bedienung von Entwesungskammern und beim Einschütten von Zyklon B in die Gaskammern eingesetzt wurde.

 

Dr. Hans Wilhelm König (1912–1991), Arzt; 1939 NSDAP-, 1943 SS-Eintritt; Sept. 1943 bis Jan. 1945 Lagerarzt in Auschwitz, selektierte Juden und führte Elektroschockbehandlungen durch; 1944 SS- Ustuf.; nach Jan. 1945 in Mittelbau-Dora und Neuengamme; nach 1945 unter dem Namen Dr. Arved Roderich Peltz untergetaucht.

 

Heinz Thilo (1911–1945), Arzt; 1930 NSDAP-Eintritt; Frauenarzt bei der Organisation Lebensborn, von Juli 1942 an Truppen- und Lagerarzt im KZ Auschwitz, 1943 SS-Eintritt, im Okt. 1944 nach Groß-Rosen versetzt; nahm sich am 13.5.1945 das Leben.

Skript

Protokoll der Vernehmung durch Jan Sehn, Mitglied der Kommission zur Untersuchung der Hitlerverbrechen in Oświęcim, in Anwesenheit und unter Mitwirkung von Edward Pęchalski, Oświęcim, (beglaubigte Abschrift)

 

Am 4. März [1943] wurden wir, von SS-Männern bewacht, auf das Gelände des Krematoriums II geführt. Hier erklärte uns der Kapo August die Konstruktion des Krematoriums. Er war eigens aus Buchenwald gebracht worden, wo er beim dortigen Krematorium gearbeitet hatte. Das Krematorium II besaß einen unterirdischen Entkleidungsraum (Auskleideraum) und einen Bunker bzw. Vergasungskeller (Leichenkeller). Zwischen beiden Kellern befand sich ein Korridor, der von außen durch eine Treppe erreichbar war, die mit einer Rutsche versehen war. Auf diese Rutsche wurden Leichen geworfen, die aus dem Lager zur Verbrennung ins Krematorium gebracht wurden. Den Korridor erreichte man durch die Tür des Auskleideraums. Von dort gelangte man durch eine weitere Tür in die rechts gelegene Gaskammer. Von der Einfahrt des Krematoriumsgeländes her führte noch eine weitere Treppe zu diesem Korridor. Links von dieser Treppe in der Ecke befand sich ein kleiner Raum für Haare, Brillen und Ähnliches, rechts davon ein weiterer Raum, in dem ein Vorrat an Büchsen mit „Zyklon“ aufbewahrt wurde.

 

In der rechten Ecke des Korridors, gegenüber der Tür zum Auskleideraum, befand sich ein Lift, mit dem die Leichen hochgezogen wurden.

Vom Hof aus führte eine Treppe in den Auskleideraum, die mit einem Eisengeländer versehen war.  Vom Auskleideraum gelangte man durch eine Tür, über der ein Schild mit der mehrsprachigen Aufschrift „Zum Bade“ hing, in den Korridor. Ich erinnere mich, dass dort auch das Wort „Bania“ geschrieben stand. Vom Korridor erreichte man durch die rechte Tür den Vergasungsraum. In der Tür befand sich in Kopfhöhe eines durchschnittlich großen Mannes ein rundes, verglastes kleines Fenster. Auf der Seite zum Vergasungsraum war das Fenster halbkugelförmig vergittert. Das Gitter war angebracht worden, weil die Menschen in der Gaskammer vor ihrem Tod die Fensterscheibe eingeschlagen hatten. Weil auch das Gitter dies nicht verhinderte und sich solche Vorfälle wiederholten, wurde das Fenster später mit Blech oder einem Brett zugenagelt. Erwähnt sei an dieser Stelle, dass die Menschen in der Gaskammer oft auch die elektrischen Leitungen herausrissen und die Lüftungsanlagen beschädigten.

 

Die Tür wurde vom Korridor her mit eisernen Riegeln, die mit speziellen Schrauben festgezogen wurden, versperrt.

 

Am Anfang gab es im Auskleideraum noch keine Bänke und Haken und in der Gaskammer auch noch keine Duschen. Beides wurde erst im Herbst 1943 zur Tarnung installiert. Die Duschköpfe waren an Holzklötzen befestigt, die in die Zementdecke der Gaskammer eingemauert wurden. Da sie nicht an Wasserleitungen angeschlossen waren, floss aus ihnen auch niemals Wasser.

 

Zum Sonderkommando, das damals auch bei den beiden Bunkern eingesetzt war, gehörten ungefähr 400 Häftlinge. Ich selbst arbeitete bis etwa Mitte April im Krematorium II. In dieser Zeit trafen griechische, französische und holländische Transporte ein. Außerdem verbrannten wir auch die Leichen von Menschen, die nach Selektionen innerhalb des Lagers ins Gas gingen. Wir arbeiteten in zwei Schichten, einer Tag- und einer Nachtschicht. Die Zahl der in diesem Zeitraum vergasten und verbrannten Menschen kann ich nicht genau beziffern. Innerhalb von 24 Stunden wurden durchschnittlich ungefähr 2500 Leichen verbrannt. In dieser Zeit hatte ich keine Möglichkeit zu beobachten, wie die Opfer in den Auskleideraum und von dort in die Gaskammer getrieben wurden. Denn immer wenn die Transporte ankamen, wurden wir vom Sonderkommando in den Koksraum eingeschlossen. Zwei blieben jedoch im Verbrennungsraum, um die Generatoren zu bedienen, manchmal auch ich. Durch ein Fenster des Verbrennungsraums konnte ich beobachten, wie das „Zyklon“ in die Gaskammer geschüttet wurde. Hinter jedem Transport fuhr ein Auto mit dem Zeichen des Roten Kreuzes, in dem der Lagerarzt Mengele zusammen mit Rottenführer Scheimetz auf das Gelände des Krematoriums kam. Dem als Rotkreuz-Auto gekennzeichneten Wagen entnahmen sie die Büchsen mit dem „Zyklon“ und brachten sie in die Nähe der kleinen Schornsteine, die zum Einschütten des „Zyklons“ in die Kammer dienten. Scheimetz öffnete die Schornsteine mit einem speziellen Schlageisen und einem Hammer, schüttete den Büchseninhalt in die Kammer und verschloss die Öffnung mit dem Zementdeckel. Es gab, wie erwähnt, vier solcher Schornsteine. In jeden von ihnen schüttete Scheimetz den Inhalt einer kleineren Büchse. Diese waren mit einem gelben Etikett beklebt. Bevor er die Büchsen öffnete, zog Scheimetz eine Gasmaske über, die er während des gesamten Vorgangs trug. Außer Scheimetz übernahmen diese Tätigkeit auch noch andere, speziell dafür bestimmte SS-Angehörige der Abteilung „Gesundheitswesen“, an deren Namen ich mich jedoch nicht erinnere. Bei jeder Vergasungsaktion war ein Lagerarzt anwesend. Ich erwähnte Mengele, weil ich ihn während meiner Zeit sehr häufig dort antraf. Außerdem assistierten die Lagerärzte König und Thilo und ein großer, schmaler junger Mann, an dessen Namen ich mich im Augenblick nicht erinnern kann, bei der Vergasung. Er war es, der nach der Selektion alle ins Gas schickte. Ich erinnere mich, dass Mengele sich einmal an Scheimetz wandte und sagte, er sollte den in der Gaskammer befindlichen Opfern schneller zu fressen geben, damit sie nach Kattowitz fahren könnten. Wörtlich sagte er: „Scheimetz, gib ihnen das Fressen, sie sollen direkt nach Kattowitz fahren“. Das bedeutete, dass Scheimetz sich mit der Einleitung des „Zyklons“ in die Kammer beeilen solle. Der Vorarbeiter notierte die Zahl der in jeder Ladung verbrannten Leichen in ein Notizbuch, und der SS-Kommandoführer kontrollierte die Eintragungen und nahm das Notizbuch, wenn ein Transport verbrannt war, mit.