Dok. 16-042

Szlomo Dragon wird im Dezember 1942 bei der Ermordung von Häftlingen im Bunker II eingesetzt

Zur Vergasung der Menschen rückte nicht das gesamte

Zur Vergasung der Menschen rückte nicht das gesamte

Orte
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Personen

Szlomo Dragon (1920–2001), Schneider; wohnte in Żuromin im Bezirk Sierpc (Regierungsbezirk Zichenau), am 5.12.1942 aus dem Getto in Mława nach Auschwitz deportiert, dort dem Sonderkommando am Bunker II, später Krematorium III zugeteilt, Teilnahme am Aufstand des Sonderkommandos am 7.10.1944, im Jan. 1945 Flucht vom Todesmarsch zusammen mit Henryk Tauber; nach Kriegsende DP-Lager in Frankfurt-Zeilsheim, später Ausreise nach Israel.

 

Jan Sehn (1909–1965), Jurist; befragte 1945–1947 als Ermittlungsrichter im Rahmen der Kommission zur Untersuchung der Hitlerverbrechen in Oświęcim Zeugen und führte Untersuchungen auf dem Gelände des ehemaligen Lagers Auschwitz-Birkenau durch, von 1949 an Leiter des Instituts für Forensik in Krakau, von 1961 an außerordentlicher Professor in Krakau.

 

Edward Pęchalski (1905–1983), Jurist; 1936 stellv. Oberstaatsanwalt am Bezirksgericht Krakau; 1945 Mitglied der Kommission zur Untersuchung der Hitlerverbrechen in Oświęcim, stellv. Oberstaatsanwalt am Appellationsgericht Krakau, von 1950 an Rechtsanwalt in Krakau.

 

Dr. Jan Zygmunt Robel (1886–1962), Chemiker, Mediziner; seit 1912 Sachverständiger für Chemie und Toxikologie am Bezirksgericht Krakau; bis 1961 am Institut für Forensik in Krakau tätig.

 

Dr. Josef Mengele (1911–1979), Mediziner und Anthropologe; 1937 Assistent des Rassehygienikers Otmar von Verschuer; 1938 SS-Eintritt; 1940 Arzt im Rasse- und Siedlungshauptamt, 1942 Fronteinsatz, Mai 1943 bis Jan. 1945 Lagerarzt in Auschwitz-Birkenau, maßgeblich beteiligt an Selektionen und Gasmorden, von Febr. 1945 an Standortarzt in Groß-Rosen; nach dem Krieg Flucht nach Argentinien, 1958 Flucht nach Paraguay, 1960 nach Brasilien.

 

Vermutlich Victor Chaimies (*1914), Volksdeutscher aus Kretinga, Litauen, SS-Rttf. (SS-Rottenführer), Angehöriger der SS-Sanitätsstaffel, Verbleib unbekannt. Die SS-Sanitätsstaffel bildeten 30 im SS-Revier eingesetzte SS-Männer. Einige von ihnen waren in der Anwendung von Giftgas geschult und waren Mitglieder im SS-Desinfektionskommando, das bei der Bedienung von Entwesungskammern und beim Einschütten von Zyklon B in die Gaskammern eingesetzt wurde.

Skript

Protokoll der Vernehmung von Szlomo Dragon durch Jan Sehn, in Anwesenheit von Edward Pęchalski, als Mitglieder der Kommission zur Untersuchung der Hitlerverbrechen in Oświęcim, unter Mitwirkung des Sachverständigen Jan Zygmunt Robel, Oświęcim, vom 10., 11. und 17.Mai 1945

 

Zur Vergasung der Menschen rückte nicht das gesamte Kommando aus. Sie fand gewöhnlich nachts statt. Aus unserem Kommando wurden etwa 20 Häftlinge ausgesucht, die dabei halfen. Die Vergasung selbst führten nämlich grundsätzlich die SS-Männer durch. Sie lief folgendermaßen ab: Die Menschen wurden mit Lastwagen zu den Baracken gebracht. Wir zur Unterstützung Eingeteilten halfen den Kranken, abzusteigen und sich in der Baracke auszuziehen. Alle Antransportierten zogen sich nämlich in den Baracken aus. Die Baracken und der Raum zwischen den Baracken und der Kammer waren von SS-Männern mit Hunden umstellt. Die Menschen liefen nackt von den Baracken zur Kammer. Die an der Eingangstür postierten SS-Leute trieben sie mit Knüppeln an. Wenn die Kammer voll war, schlossen die SS-Männer die Tür, und Mengele wies seinen Adjutanten, Rottenführer Scheinmetz, an, mit der Vergasung zu beginnen. Er drückte sich so aus: „Scheinmetz, mach das fertig“. Dann holte Scheinmetz aus dem Rot-Kreuz-Wagen, der jedem Häftlingstransport folgte, die zur Vergasung vorgesehene Büchse Gas, einen Hammer und ein spezielles Messer, setzte eine Maske auf, öffnete mit Hilfe von Hammer und Messer die Büchse und schüttete den Inhalt durch die Öffnung in die Kammer. Dann verschloss er die Öffnung und brachte Büchse, Hammer, Messer und Maske zum Auto zurück. Unter den Deutschen wurde das Auto „Sanker“ genannt. Ich habe selbst viele Male gehört, wie Mengele den Adjutanten fragte: „Ist der Sanker da?“ Waren diese Tätigkeiten abgeschlossen, fuhren Mengele und sein Adjutant mit dem Sanitätsauto weg, und wir wurden in den Block gebracht.

Ich weiß nicht, wie es am Anfang war, aber später blieben nach Abschluss einer solchen nächtlichen Vergasungsaktion SS-Posten beim Bunker und insbesondere bei den Baracken. Blieb der Bunker bis zum Morgen unbewacht, kam es nämlich vor, dass die Kisten mit den Goldzähnen, die mit den übrigen Sachen der Vergasten in den Baracken aufbewahrt wurden, gestohlen wurden. Die Leichen der Vergasten lagen bis zum Morgen im Bunker, bis ein Kommando kam und sie verbrannte. Die Verbrennung lief immer so ab, wie ich sie für den ersten Tag meiner Arbeit beim Bunker II beschrieben habe. Das Eigentum der Vergasten blieb in den Baracken und wurde am nächsten Tag durch ein spezielles Kommando eingesammelt, das die Sachen sortierte und in die Effektenkammer in Auschwitz brachte. Die Asche holten wir meist erst etwa 48 Stunden nach der Verbrennung aus den Gruben. Darin befanden sich Knochenreste, man sah Schädel, Kniegelenke und Röhrenknochen. Mit Schaufeln häuften wir die Asche am Rand der Grube auf, dann kamen Autos, die sie zur Soła brachten. Wir wurden auch für die Entladung der Asche am Fluss eingesetzt, selbstverständlich unter der Kontrolle von SS-Männern. Wir mussten die Fläche zwischen Auto und Wasser mit Planen abdecken, damit keine Aschereste auf die Erde fielen. Die SS-Männer befahlen uns, die Asche so ins Wasser zu schütten, dass sie mit der Strömung weggeschwemmt wurde und sich nicht auf dem Grund absetzte. Nach dem Entladen des Wagens schüttelten wir die Asche also von den Planen ins Wasser und säuberten die gesamte Abladestelle gründlich mit Besen.

Nachdem die Kammern geöffnet worden waren, fanden wir die Leichen meist in liegender Position vor. Wenn viele Menschen hineingedrängt worden waren, lagen sie aufeinander oder aneinandergelehnt, manchmal sogar stehend und mit hängendem Rumpf. Oft sah ich weißen Schaum, der sich auf den Lippen der Vergasten gebildet hatte.