Dok. 16-019

Der 17-jährige Erwin Haber wirft am 4. August 1942 drei mehrsprachige Zettel mit Mitteilungen an seine Familie aus dem Deportationszug nach Auschwitz


Lieber Finder! Ich bitte Sie, dieses Papier an

Lieber Finder! Ich bitte Sie, dieses Papier an

Orte
  • Grenze Staatsgrenzen von 1937
  •  
Personen

Erwin Haber (1924–1942), geboren in Wien,1939 Flucht nach Antwerpen, 1940 Umzug nach Brüssel, Anfang Aug. 1942 nach Mechelen (Malines) verbracht, am 4.8.1942 von dort mit dem ersten Deportationszug nach Auschwitz deportiert und dort am 10.9.1942 gestorben.

 

Kitty Haber, später Goldberg (*1929), Schneiderin; Schwester von Erwin Haber, geboren in Wien, 1939 Flucht nach Antwerpen, 1940 Umzug nach Brüssel, überlebte in Brüssel; 1951 Auswanderung nach Argentinien, 1963 in die USA.

 

Leontine Schwartz (*um 1879), Großmutter von Erwin Haber, geboren in Janushaza, Ungarn, emigrierte mit Sohn und Enkeln nach Brüssel, überlebte; nach dem Krieg nach Schottland ausgewandert.

Skript

Handschriftliche Mitteilungen von Erwin Haber an Kitty Haber und Leontine Schwartz, Brüssel

 

Lieber Finder!
Ich bitte Sie, dieses Papier an Madame Van der Elst, 81, rue du Jardinier, Brüssel, zu schicken, ohne Briefmarken, sie werden den Brief dort bezahlen. Ich bin ein jüdischer Junge, den man in Brüssel gefangen genommen hat. Ich habe noch Familie in Brüssel, und ich möchte sie benachrichtigen. Ich danke Ihnen aus ganzem Herzen für Ihre Güte. Der liebe Gott wird Sie dafür belohnen, was Sie für jemanden getan haben, der sich in den Händen der Gestapo befindet.

Meine Lieben!

Ich probiere, Euch einige Zeilen zukommen zu lassen, die Euch hoffentlich noch in guter Gesundheit antreffen werden. Ich bin jetzt auf der Fahrt und hoffe, daß jemand den Zettel aufheben wird und weiterschicken. Wir sind jetzt am Bahnhof von Tienen, fahren in Personenwaggons und wäre alles nicht allzuschlecht, wenn wir wüßten, was man mit uns machen wird. In Mechelen haben wir es nicht schlecht gehabt, beim Eintritt hat man uns alles abgenommen, Geld, Uhr, Füllfeder, Taschenlampe und einen Großteil Lebensmittel. Aber es war ganz lustig und haben wir noch zu essen gehabt. Jetzt ist der erste Transport, 1000 Menschen, abgegangen über Löwen nach Tienen. Richtung müßt ihr auf der Karte suchen. Also meine Lieben, lebt mir wohl, bleibt gesund und sagt jedem, daß sie nichts mitnehmen sollen, aber genug essen, denn wenn man von viel wegnimmt, bleibt mehr wie von wenig. Laßt alle schön grüßen und bleibt gesund, Gott schütze Euch und mich und alle Juden, Küsse, Erwin