Dok. 12-245

Heinz Röthke vom Judenreferat des Befehlshabers der Sicherheitspolizei berichtet über die Ergebnisse der Großrazzia in Paris vom 16. und 17. Juli 1942

Abtransport staatenloser Juden. Die Festnahmeaktion gegen

Abtransport staatenloser Juden. Die Festnahmeaktion gegen

Orte
  • Grenze Staatsgrenzen von 1937
Personen

Heinz Röthke (1912–1966), Jurist; im Regierungspräsidium in München tätig, 1941 KVR in Brest (Frankreich), 1942–1944 Leiter des Judenreferats in Paris, 1942–1943 Leiter des Lagers Drancy; 1945 in Frankreich in Abwesenheit zum Tode verurteilt, lebte nach dem Krieg als Rechtsberater in Wolfsburg.

 

Skript

Bericht der Abt. IV J der Sicherheitspolizei, Paris, vom 18.7.1942

 

Betrifft: Abtransport staatenloser Juden

[…]

Die Festnahmeaktion gegen staatenlose Juden am 16. und 17.7.1942 hat folgendes Abschlußergebnis erbracht:

Männer

3 031

Frauen

5 802

Kinder

4 051

Insgesamt

12 884

Auffallend bei der Anzahl der Festgenommenen ist der hohe Prozentsatz an Frauen. Der Unterschied zu der Anzahl der festgenommenen Männer wird daraus erklärt, daß bei den früheren Festnahmeaktionen hauptsächlich Männer erfaßt worden sind und daß andererseits sich wahrscheinlich mehr Männer als Frauen im rechtzeitigen Augenblick vor der Festnahme in Sicherheit gebracht haben.

Die Festgenommenen setzen sich hauptsächlich aus der untersten Schicht der jüdischen Rasse zusammen.

Von den festgenommenen Juden wurden noch während der Aktion insgesamt 6000 Männer und Frauen (unverheiratete oder Ehepaare ohne Kinder) in das Judenlager Drancy gebracht. Der Rest der Festgenommenen wurde zunächst in den Vélodrome d’Hiver überstellt.

Von den verschiedensten Seiten ist an Abt. IV J die Mitteilung herangebracht worden, daß ein erheblicher Teil der staatenlosen Juden vorher von der Aktion Kenntnis bekommen und sich versteckt habe. Französische Polizeibeamte sollen in wiederholten Fällen den von ihnen zu erfassenden Personen, namentlich kapitalkräftigen staatenlosen Juden, von der geplanten Festnahme Mitteilung gemacht und ihnen den Rat gegeben haben, sich am 16. und 17.7.1942 nicht in ihren Wohnungen aufzuhalten. Zuträger dieser Mitteilungen sind aufgefordert worden, konkrete Beispiele unter genauer Angabe der in Frage kommenden Polizeibeamten zu machen. Bisher ist jedoch noch in keinem einzigen Falle eine solche Angabe eingegangen, wenn auch die Richtigkeit dieser Mitteilungen nicht bezweifelt werden kann.

Während am 1. Festnahmetag rund 9800 Personen festgenommen worden sind, hat die französische Polizei am 17.7.1942, wie zu erwarten, nur noch einen Bruchteil des Ergebnisses vom ersten Tage festgenommen, nämlich rund 3000 Personen.

Die französische Bevölkerung hat in wiederholten Fällen ihr Mitleid zu den festgenommenen Juden und ihr Bedauern, insbesondere zu den festgenommenen Kindern, zum Ausdruck gebracht. Der Transport der festgenommenen Juden ist vielfach nicht in unauffälliger Weise geschehen, so daß ein Teil der nichtjüdischen Bevölkerung Gelegenheit hatte, kleine Ansammlungen zu bilden und über die Gruppe der festgenommenen Juden zu diskutieren.

Die französische Presse ist in wiederholten Fällen schon am 16.7.1942 an die Propagandaabteilung herangetreten und hat den Wunsch zum Ausdruck gebracht, über die Festnahmeaktion zu berichten. Der Propagandaabteilung ist mitgeteilt worden, daß einstweilen – bis auf weitere Mitteilungen – jegliche Artikel in der Presse über die Aktion unterbleiben sollen. Da weitere Aktionen für später geplant sind, wird es zweckmäßig sein, in der Presse nur allgemein gehaltene Artikel zu bringen, deren Inhalte vorher genau mit der Propagandaabteilung abgesprochen werden müßten. In den Artikeln wäre vielleicht darauf hinzuweisen, daß das Judentum sich nach wie vor derart anmaßend benommen hätte, daß einschneidende Maßnahmen notwendig gewesen wären. Es wären hauptsächlich Juden festgenommen worden, die sich nach wie vor auf dem Schwarzmarkt betätigten, Pässe und Identitätskarten fälschten, Bestechungen, Schiebungen größeren Umfangs und die verschiedensten anderen Delikte fortgesetzt begingen. Darüber hinaus fordere aber die Sicherheit der Besatzungsmacht schärfste Maßnahmen gegen die Juden, die täglich nachweisbar in hunderten von Fällen die Anordnungen des Militärbefehlshabers und des Höheren SS- und Polizeiführers umgingen und gegen diese französischen Gesetze verstießen.

[…]