Dok. 12-043

Der nach Schweden geflohene David Century wendet sich am 26. Januar 1943 aus Sorge um seine nach Polen deportierten Angehörigen an den norwegischen Ministerpräsidenten Vidkun Quisling


Als einer der norwegischen Juden, die das Glück

Als einer der norwegischen Juden, die das Glück

Orte
  • Grenze Staatsgrenzen von 1937
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Personen

David Century (1897–1973), Verkäufer; emigrierte 1917 von England nach Norwegen, floh am 4.11.1942 nach Schweden; nach seiner Rückkehr nach Norwegen 1945 eröffnete er ein Textilgeschäft.

 

Vidkun Quisling (1887–1945), Berufsoffizier; 1931–1933 Verteidigungsminister; gründete 1933 die Nasjonal Samling, befürwortete die deutsche Besetzung Norwegens und proklamierte sich zum Regierungschef, den die Besatzer jedoch nicht anerkannten; von Febr. 1942 an Ministerpräsident der norweg. Kollaborationsregierung; durch ein norweg. Gericht zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Skript

Handschriftl. Schreiben

 

[…]

Als einer der norwegischen Juden, die das Glück hatten, der Deportation nach Polen zu entgehen, erlaube ich mir hiermit, einen Appell an Sie zu richten.

Eine schwedische Zeitung veröffentlichte vor einiger Zeit ein Interview mit Ihnen in dieser Angelegenheit, und Sie sollen geantwortet haben, dass die Juden, die nach Polen geschickt werden, dort ein neues Leben anfangen werden. Ich muss davon ausgehen, dass Sie das, was Sie da sagten, auch meinen – dass also alle diese Menschen nach Polen gekommen sind, um zu leben, und nicht, um zu Tode gequält zu werden. Letzteres wird nämlich in Zeitungen und Radioprogrammen außerhalb von Norwegen so oft behauptet, dass sich das Gefühl tiefer Angst, dass an diesen Behauptungen etwas Wahres sein könnte, nur schwer unterdrücken lässt.

Die meisten von uns, die entkommen sind, haben einen oder mehrere Angehörige, die nach Polen deportiert wurden. Das Schicksal, das unseren Lieben widerfährt, löst wachsende Unruhe bei uns aus – ja Verzweiflung. Der einzige „Gruß“, den wir bisher erhalten haben, ist Ihre oben zitierte Erklärung, dass sie ein neues Leben anfangen werden. Aber Sie werden sicher zustimmen, Herr Ministerpräsident, dass dies keine ausreichende Beruhigung ist. Sie sind der einzige Mensch, der erreichen kann, dass die Deportierten mit ihren Lieben Verbindung aufnehmen können. Ich appelliere an Sie, die nötigen Schritte zu unternehmen, um ihnen das zu ermöglichen, und zugleich allen Angehörigen, die dies wünschen, die Möglichkeit einzuräumen, ihren Nächsten in Polen Pakete mit Lebensmitteln und Kleidung zu schicken. Mit einem solchen Schritt würden Sie nur an Ihre eigenen, besten Traditionen aus jenen Tagen anschließen, als Sie, zusammen mit Nansen, persönlich an einer großen humanitären Aktion in Osteuropa beteiligt waren – und Sie würden mit einem Schlag der Welt beweisen, dass die deportierten norwegischen Juden nicht in jene unheilvollen Verhältnisse fortgebracht wurden, über die so viel geschrieben und gesprochen wird.

Es mag sein, dass Deutschland diese Menschen zur Kriegsarbeit benötigt – aber lassen Sie sie in jedem Fall wie Menschen leben.

Mit vorzüglicher Hochachtung