Dok. 10-270

Der Abhördienst des Reichsluftfahrtministeriums notiert am 20. Oktober 1944, wie Biebow mit der Reichsstatthalterei Posen über das Raubgut im Vernichtungslager Kulmhof verhandelt


Über die Verwertung des aus dem Lager Kulmhof bei Eichstädt

Über die Verwertung des aus dem Lager Kulmhof bei Eichstädt

Orte
  • Grenze Staatsgrenzen von 1937
  •  
Personen

Hans Biebow (1902–1947), Kaufmann; 1937 NSDAP-Eintritt; Kaffeehändler in Bremen, zwischen Mai 1940 und 1944 Leiter der Ernährungs- und Wirtschaftsstelle, später umbenannt in Getto- Verwaltung Litzmannstadt, organisierte den Arbeitseinsatz der Gettobewohner für die deutsche Kriegswirtschaft und die Deportation der arbeitsunfähigen Juden nach Kulmhof bzw. nach Auschwitz-Birkenau; 1947 in Łódź zum Tode verurteilt und hingerichtet.

 

Dr. Herbert Reischauer (*1909), Jurist; 1932 NSDAP- und SS-Eintritt; von 1933 an im Gaurechtsamt Hessen-Nassau der NSDAP, von 1936 an Referent im Stab StdF (Stellvertreter des Führers); Teilnehmer an Folgekonferenzen der Wannsee-Konferenz im März und Okt. 1942; 1942 SS-Obersturmbannführer; von Dez. 1943 an Leiter der Abt. I beim Reichsstatthalter in Posen, zuständig auch für Judenangelegenheiten; vermutlich im Febr. 1945 gefallen.

 

Hans Bothmann (1911–1946), Polizist; 1933 SS-Eintritt; 1939 Stapo Leipzig, März/April 1942 bis April 1943 sowie Mai 1944 bis Jan. 1945 Kommandant des Vernichtungslagers Kulmhof; zwischen April 1943 und Mai 1944 mit dem Sonderkommando zur Waffen-SS-Division „Prinz Eugen“ zur Partisanenbekämpfung in Jugoslawien abgestellt; SS-Hauptsturmführer; Jan. 1945 Flucht nach Westdeutschland, nahm sich im April 1946 in brit. Haft das Leben.

 

Alexander Weißker (1899–1981), Förster; 1931 NSDAP-Eintritt; 1922-1932 beim sächs. Forsteinrichtungsamt, 1936 Oberforstmeister bei der Sächsischen Landesforstverwaltung, von März 1941 an Reg. Direktor und Leiter der Wirtschaftsabt. des Landeswirtschaftsamts sowie der Treuhandstelle Posen; 1942 SS-Eintritt, SS-Sturmbannführer; 1950–1965 Leiter des Fürstlichen und Gräflichen Stiftungsforstamts Laugna.

Skript

Fernschreiben (Geheime Reichssache!) der Forschungsstelle A des Forschungsamts beim Reichsluftfahrtministerium

 

Verwaltungsstelle Getto, Litzmannstadt

Über die Verwertung des aus dem Lager Kulmhof bei Eichstädt (Wartheland) anfallenden Materials

 

Der Leiter der Abteilung I beim Reichsstatthalter in Posen, Oberregierungsrat Reischauer, ersucht am 20. Oktober Biebow um Auskunft, wohin die aus dem zu räumenden Lager Kulmhof anfallende Reiswolle verkauft werde. Biebow entgegnet, soweit ihm bekannt sei, habe Bothmann die Reiswolle in Posen unterbringen wollen. Die Abrechnung würde über die Gettoverwaltung in Litzmannstadt laufen, und die Beträge würden dann auf das Sonderkonto abgeführt. Reischauer erklärt, es sei grundsätzlich so, dass man sämtliche „dort“ (Forschungsamt: im Lager Kulmhof?) anfallenden Sachen nicht den Reichsstellen zukommen lassen wolle. Weißker (Forschungsamt: Leiter der Abteilung Wirtschaft beim Reichsstatthalter) habe ausdrücklich angeordnet, dass alles, was anfalle, über das Landeswirtschaftsamt im Gau Wartheland verarbeitet werden müsse. Biebow wendet ein, das sich dies bei bestimmten Sachen, z. B. bei Bettfedern, schlecht durchführen lasse, da jede Firma, die Bettfedern aus dem Getto erhalte, verpflichtet sei, der Reichsstelle zu melden, wieviel Bettfedern sie auf Lager genommen habe. Reischauer stellt die Frage, ob es denn keine andere Möglichkeit gebe, etwa in der Form, dass das ganze Material nicht einer Firma angedient werde, sondern einfach dem Landeswirtschaftsamt über den Kreiswirtschaftsberater.

Reischauer betont nochmals, dass der ganze Anfall von Kulmhof an Weißker gehen müsse. Er ersucht Biebow, auch Bothmann entsprechend zu unterrichten. Als Reischauer bemerkt, er habe von Weißker erfahren, das doch schon etwas aus dem Gau hinausgegangen sei, erwidert Biebow, von den Bettfedern seien – soweit ihm bekannt sei – 2 Waggons im Gau geblieben. Reischauer meint, an den Bettfedern sei man gerade am wenigsten interessiert. Schließlich ersucht Reischauer Biebow, auch die Verwertung der im Litzmannstadter Getto anfallenden Reiswolle nur im Einvernehmen mit dem Vertreter des Landeswirtschaftsamtes vorzunehmen.