Dok. 10-138

Oskar Rosenfeld schreibt in seinem Tagebuch zwischen dem 5. und 15. August 1942 über den allgegenwärtigen Hunger im Getto Litzmannstadt

Kranke im Spital. Fast alle normal in

Kranke im Spital. Fast alle normal in

Orte
  • Grenze Staatsgrenzen von 1937
  •  
Personen

Oskar Rosenfeld (1884–1944), Journalist und Schriftsteller; 1902–1908 Studium der Kunstgeschichte und Philologie in Wien, emigrierte 1938 von Wien nach Prag, am 3.11.1941 nach Litzmannstadt deportiert, von 1942 an Mitarbeit an der Gettochronik sowie Abfassung seines Tagebuchs, im Aug. 1944 nach Auschwitz-Birkenau deportiert und dort ermordet.

Skript

Mittwoch 5. August.

Kranke im Spital. Fast alle normal in Ressorts. Gewesene Textil- Industrielle in Lodź. Jetzt sieht man, was die Juden für die Wirtschaft Polens geleistet haben: Erzeugung, Konfektion, Export. Alles von Aschkenes geraubt. Zum Teil vernichtet, zum Teil in Betrieb.

Während Kinder und Greise aus Unrat Erdäpfelschalen etc. suchen, fahren Lastautos mit feinstem Gemüse, Bier, Wein, Orangen, Fleisch durch die Holsteinerstraße zwischen den Drähten; Kutscher und Chauffeure lustig mit Zigarette im Mund. Deutlich zu sehen: Hunger künstlich! Denn polnischer Bauer produziert. Auch er muss verzeichnet werden.

Wieder Gerüchte. Aufregung im Getto. Angeblich war jüdische Deputation bei Namensvetter wegen Intervention. Dieser versprach Soff nach 80 Tagen. Getto voller Hoffnung und Aufregung wie noch nie seit dem Winter, als wäre Messias nahe. „Wirklich? Oktober?“ Dabei wieder Hunger ...

Angst im Getto. Graben überall seit der Zeit, wo Luftschutz vorbereitet worden war. Wache beim Graben. Wozu? Niemand weiß. „Wer weiß, wozu Gräben noch immer gehütet! Vielleicht uns ermorden und in Graben werfen oder gar lebendig hinein am Tag des Endes? Ähnliche Graben tote Soldaten geworfen in Massen übereinander ...“ Einer blickt den anderen stumm und furchtbar traurig an.

Sterben bei der Arbeit. Menschen, schwach und krank, gehen aus Angst, ihre Arbeiterration zu verlieren, ins Ressort. Fallen dort inmitten der schweren Arbeit (Bäckerei, Tischlerei, Metalle, Holz) um, kommen nicht mehr nach Hause. Manchen Tag bis zu 5 Menschen. Aussiedlung Warschau geht angeblich weiter.

 

9. August 1942 Erinnerung an Kartoffeln – Februar–Mai, völlig verfault und doch gegessen mit den Schalen, kein Bauer würde das Herz haben, solche Kartoffeln seinen Schweinen vorzusetzen.

 

15. August 1942 Ich wiege 47 kg. Seit Prag 10 kg verloren.