Dok. 08-132

Im Warschauer Getto zeichnet die Gruppe Oneg Schabbat am 16. Juli 1942 einen Bericht über die Verfolgung und Ermordung der Juden von Kovel (Kowel) auf

Von einer Person, die dieser Tage aus Kovel zurückgekehrt ist, erhielten wir folgende Nachrichten

Von einer Person, die dieser Tage aus Kovel zurückgekehrt ist, erhielten wir folgende Nachrichten

Orte
  • Grenze Staatsgrenzen von 1937
  • Grenze Staatsgrenzen und Grenzen der Unionsrepubliken der UdSSR 1938–1941
  • Grenze Deutsch-sowjetische Demarkationslinie im besetzten Polen vom 28. Sept.1939
  • Grenze Grenze zwischen den eingegliederten Gebieten und dem Generalgouvernement
Personen

Maurycy Mayzel (1872–1942),Industrieller; Vorsitzender zahlreicher Wirtschaftsverbande und Vizepräsident des Stadtrats von Warschau; 1937–1939 Präsident der jüdischen Gemeinde in Warschau; im Sept. 1939 in die sowjet. Besatzungszone geflüchtet.

 

Skript

Handschriftl. Bericht, ungezeichnet

 

Von einer Person, die dieser Tage aus Kovel zurückgekehrt ist, erhielten wir folgende Nachrichten über die Lage der Juden in der Stadt:
Bis zum 27. Mai dieses Jahres war die Lage der Juden in Kovel im Vergleich zu anderen Städten in jener Gegend nicht schlecht. Der deutsche Stadtkommissar verhielt sich sehr korrekt gegenüber den Juden und erlaubte keinerlei die Juden speziell betreffende Aktionen. Es gab nicht einmal ein besonderes Wohnviertel für Juden. Die ersten Wolken am Himmel des jüdischen Kovel zogen in der zweiten Hälfte des Monats Mai auf, als der Posten des Stadtkommissars neu besetzt wurde. An Stelle des ordentlichen Deutschen wurde ein Mörder, ein Feind Israels, ein echter Hitlerist bestimmt. Am 27. Mai wurde in den Straßen eine Bekanntmachung der Machthaber plakatiert, dass in Kovel zwei Gettos eingerichtet werden: eines in der Umgebung der Koleyove-Straße, das sogenannte aristokratische Getto für Arbeitende (für 1400 Familien, das sind 3500 Menschen), und ein zweites Getto für unproduktive Elemente auf den „Piaskes“.

[...]

Am 1. Juni wurden alle Mitglieder des Judenrats erschossen. Am selben Tag befahlen die Deutschen, dass alle Juden, die keine Arbeitskarte erhalten hatten, sich auf dem ehemaligen Marktplatz einfinden müssten. In Kovel lebten damals um die 14 000 Juden, davon stellten sich ungefähr 8000. Um die 1000 Juden versteckten sich in der Stadt. Über 1000 Jugendliche flohen aus der Stadt [in die umliegenden Wälder] und versteckten sich dort. Über 3500 gehörten zu den arbeitenden Juden, die sich stellten und nicht glaubten, dass sie zum Tode verurteilt wären, weil sich damals ein Gerücht verbreitete, die Deutschen hätten zu dieser Zeit auch in [...] allen Juden befohlen, sich an einem Platz zu versammeln, und während sie dort standen, wurde für sie ein anderer Wohnort vorbereitet, wohin sie einen Tag später gebracht wurden. Man glaubte, dass sich dieselbe Geschichte auch hier [in Kovel] wiederholen werde.

Leider haben die Deutschen eine niederträchtige Provokation begangen. Es tönte ein lautes „Nach Hause!“ über den Platz, und die Juden waren sich sicher, dass sie also in ihre Häuser zurückkehren könnten. Die Deutschen aber begannen, auf die Menge zu schießen, so dass etliche auf der Stelle tot waren. Die Übrigen wurden in das Dorf Bakhuv außerhalb von Kovel gebracht, wo schon Gräber für die Opfer vorbereitet waren. Alle Juden wurden gleich an Ort und Stelle erschossen und in die Gräber geworfen. Unter den Ermordeten befindet sich auch der letzte kommissarische Präses der Warschauer Gemeinde, der Rat Maurycy Mayzel.

[...]

Über die jüdischen Jugendlichen wird berichtet, dass viele von ihnen zu den Partisanen, die im Gebiet von Ratne operierten, flüchteten. Auch wird erzählt, dass in Ratne kürzlich zwei SD-Leute von den Partisanen ermordet worden seien. Die „Vergeltung“ bestand darin: 113 Juden aus Ratne und noch ein paar Ukrainer – wurden ermordet. Die Deutschen haben große Angst vor den Partisanen. So haben die deutschen Machthaber
z. B. streng verboten, mit einzelnen Fahrzeugen Wege zu befahren.

Von Seiten der jüdischen Bevölkerung gab es während der Mordaktionen keinerlei Versuche, sich den Mördern zu widersetzen.

[...]