Dok. 08-055

Litauische Nationalisten protestieren Anfang 1942 gegen den Einsatz litauischer Schutzmänner beim Judenmord und rufen zum Widerstand gegen die Deutschen auf

Lies, schreibe ab und gib es einem anderen!

Lies, schreibe ab und gib es einem anderen!

Orte
  • Grenze Staatsgrenzen von 1937
  • Grenze Staatsgrenzen und Grenzen der Unionsrepubliken der UdSSR 1938–1941
  • Grenze Deutsch-sowjetische Demarkationslinie im besetzten Polen vom 28. Sept.1939
  • Grenze Grenze zwischen den eingegliederten Gebieten und dem Generalgouvernement
Skript

Anonymes Flugblatt

 

Lies, schreibe ab und gib es einem anderen!
Litauische Brüder!
Zu Beginn des Krieges der Deutschen mit den Bolschewiken haben wir mit ausgestreckten Händen die deutschen Truppen begrüßt, da wir glaubten, daß Deutschland als Kulturstaat von Westeuropa uns nicht ein neues Joch auferlegen würde, wenn es uns vom Bolschewismus befreien würde (welchem es uns in der Tat, seine Interessen wahrend, verkauft hatte). Doch wir haben uns getäuscht. Nachdem sie unsere zeitweilige Regierung durch Gewalt beseitigt hatten, führten sie in Litauen ihre Regierung ein und fingen an, ein reines Okkupationsregime einzuführen. Allmählich wurde es immer schwerer, und es fehlt nicht viel, daß unsere eigenen Beamten, welche in den Behörden der Räte oder Selbstverwaltungen arbeiten, ihre Väter und Brüder unterdrücken müssen oder nach Liquidation der uns noch verbliebenen litauischen Behörden – auseinandergehen.

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Die Deutschen sagen, daß sie uns vom Tode befreit haben. Das ist wahr, aber wir müssen ihnen dafür Frondienste leisten und dafür teuer bezahlen. Tausende von unserer Jugend stehen in ihren Diensten.

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Nachdem die Deutschen unser Angebot nicht angenommen hatten, mit den Waffen in der Hand an dem Kampf gegen den Bolschewismus teilzunehmen, fingen sie selber an, Litauer zu werben – in die Bataillone des Hilfspolizeidienstes. Viele von uns jubelten: Wird dies nicht der Anfang unserer Armee sein?, und traten freudig ein. Was war jedoch die Wirklichkeit? Die Bataillone sind im Kriege gezwungen, einfachen Lohndienst zu machen. Die Soldaten werden in den schlechtesten Unterkünften gehalten, zerlumpt, von Läusen gefressen, zu wenig ernährt usw. Sie sind einem wenig intelligenten deutschen

Feldwebel unterstellt, dessen Haltung uns erniedrigt, aber durch sie wird die Ehre des Volkes zerschlagen und jede Hoffnung an die Deutschen zerstört. Aber nicht das ist wichtig. Wir sind gehorsame Bataillone, die ihre Aufgaben und Pflichten erledigen müssen. Und zwar: Die Bataillone wurden und werden gezwungen, die Juden zu erschießen. Wenn diese deutsche Tätigkeit in keinem Fall zu rechtfertigen ist, aber sich erinnernd, daß die Juden den Bolschewiken halfen, unsere Volksgenossen zu ermorden oder zu verschleppen, mußten unsere Soldaten, die Zähne zusammenbeißend, die ihnen übertragene Anordnung ausführen – nicht nur in Litauen. Aber in keinem Falle können wir diese Grausamkeiten noch weiter in Weißrußland und der Ukraine ausführen und jetzt nicht mehr litauische Juden, sondern sogar deutsche, tschechische, vielleicht auch polnische Juden erschießen, welche die Deutschen selber nicht in ihren Häusern, nicht in anderen Gebieten erschossen haben. Es ist sicher bekannt, daß der größte Teil unserer Bataillone über die Grenzen Litauens fortgeschickt worden ist und beinahe ausschließlich dieser Aufgabe zugeteilt worden ist, Juden zu erschießen, wie auch Kriegs- und Zivilgefangene. Man hört, daß sie sie dort schon zu Zehntausenden erschossen haben, und mehr, daß unsere Leute schon den Verstand verloren haben, weil sie die tierischen Grausamkeiten nicht ertragen. In diesen Tagen sind viele Juden zu uns aus Deutschland und anderen Gebieten des Westens gekommen. Sie wurden gleich erschossen, und zu diesem richtigen Schlachten wurden unsere Soldaten gezwungen. Volksgenossen, was bedeutet das alles? Müssen wir Europas Henker sein? Werden wir es zulassen, daß Tausende unserer jugendlichen Krieger wahnsinnig werden? Nicht lange und sie werden als Menschen alle seelisch getötet sein, selbst mehr wie Irre oder Geköpfte, und später droht ihnen die Gefahr, selbst erschossen zu werden als lebende Zeugen der Morde an Juden, Russen und anderen Morden.

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