Dok. 15-279

Margit Erdős benachrichtigt am 22. Oktober 1944 ihren Mann, dass sie aus Budapest weggebracht werde und ihren vierjährigen Sohn bei ihrer Mutter gelassen habe


Meine einzige Liebe, mein teurer Gyurka!

Meine einzige Liebe, mein teurer Gyurka!

Orte
  • Grenze Staatsgrenzen von 1937
  •  
Personen

Margit Erdős, geb. Hechtmann (1912–2000), Näherin und Hausfrau.

 

György Erdős (1913–2009), Radiotechniker; Arbeitsdienst in der Ukraine, Rückkehr 1945; nach dem Krieg arbeitete er im Außenhandel.

 

Péter Erdős (*1940), Ingenieur und Außenhandelsvertreter; Sohn von Margit und György Erdős, überlebte den Krieg mit falschen Papieren in Budapest im Versteck.

 

Emma Czieler (1882–1945), Mutter von György Erdős, starb wenige Tage nach der Befreiung des Großen Gettos in Budapest an Erschöpfung.

 

Györgyi Steinberger (*1942); in den letzten Kriegswochen versteckte sie sich gemeinsam mit ihrer Mutter Franciska Hechtmann, ihrer Tante Margit Erdős und deren Sohn Péter in Budapest; lebt in Israel.

Skript

Handschriftl. Brief

 

Meine einzige Liebe, mein teurer Gyurka!
Ich verabschiede mich, verabschiede mich erneut. Viel halte ich nicht mehr aus, mein Herz ist schwach. Du bist bereits fort. Mein Teurer, es ist schon so lange her, aber keinen Augenblick habe ich aufgehört, auf Dich zu warten, jeden Tag, jede Stunde und jeden Augenblick. Jetzt muss ich fort, aber ich warte auch jetzt auf Dich, womöglich mit einer noch größeren Sehnsucht und Liebe, aber mit noch weniger Hoffnung. Mein Teuerster, kannst Du Dir das vorstellen? Ich habe gerade Abschied genommen von Peterchen, meinem einzigen Trost in diesen langen zwei Jahren. Ich habe ihn mit Györgyike zur Mutter gebracht. Mein liebes Kind sagte, nicht wahr, wir übernachten ja nur ein- oder zweimal hier, dann holst du mich zusammen mit Vati ab. Dann hat er noch um ein großes, rotes Auto gebeten. Mein Herz, ich weiß nicht, was ich schreiben soll. Werden wir in diesem Leben noch einmal zusammenkommen? Werden wir zu dritt zusammenleben? Wenn Gott es nicht will, dass wir uns wiedersehen, wenn ich nicht zurückkehre, befindet sich Péter bei der Mutter. Hoffentlich werden sie wenigstens die beiden beieinander lassen. Bitte zieh ihn nach bestem Ermessen groß, mit viel, viel Liebe, denn die braucht mein Ärmster sehr. Unsere Sachen, wenn sie etwas davon übrig lassen, befinden sich größtenteils hier draußen im Keller in der Pósa-Lajos-Straße 52. Suche unbedingt meine Kneipenwirt-Verwandte auf.

Mein teurer Gyurika, verzeih mir diesen Brief. Ich beende ihn sogleich, denn wenn ich nichts Schönes schreiben kann, sollte ich gar nichts schreiben. Noch einmal, sei mir nicht böse, wenn ich Dich einmal verletzt haben sollte, denkt immer an mich mit der Liebe, mit der ich auch an euch denke.

Ich habe Dich immer geliebt und liebe Dich sehr-sehr. Immer die Deine