Dok. 15-246

Der Reichsaußenminister teilt dem Reichsbevollmächtigten in Ungarn, Edmund Veesenmayer, am 17. Juli 1944 mit, dass Hitler die Fortsetzung der Deportationen in Budapest fordert


Ich bitte Sie, sofort nach Erhalt dieses Telegramms den

Ich bitte Sie, sofort nach Erhalt dieses Telegramms den

Orte
  • Grenze Staatsgrenzen von 1937
  •  
Personen

Joachim von Ribbentrop (1893–1946), Kaufmann; 1932 NSDAP- und 1933 SS-Eintritt; von 1934 an außenpolitischer Berater Hitlers (Dienststelle Ribbentrop), 1936–1938 Botschafter in London, von 1938 an RAM; 1945 verhaftet, im Nürnberger Prozess zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Edmund Veesenmayer (1904–1977), Staatswissenschaftler; 1932 NSDAP-, 1934 SS-Eintritt; 1938–1945 im Dienst des AA, von 1938 an als Informant bzw. Verbindungsmann des AA tätig, vom 19.3.1944 an Gesandter I. Klasse, „Bevollmächtigter des Großdeutschen Reichs“ in Ungarn und SS-Brigadeführer; März 1945 Flucht nach Österreich, 1949 im Nürnberger Wilhelmstraßen-Prozess zu 20 Jahren Haft verurteilt, 1951 begnadigt.

 

Döme Sztójay (1883–1946), Diplomat; 1925–1933 Oberst im Generalstab und Militärattaché in Berlin, 1933–1935 Sektionschef im Verteidigungsministerium, 1935–1944 Botschafter in Berlin, 1944 Ministerpräsident und Außenminister; 1946 vom ungar. Volksgericht zum Tode verurteilt und hingerichtet.

 

Miklós Horthy von Nagybánya (1868–1957), Admiral; 1909–1914 Flügeladjutant von Kaiser Franz Joseph I., von Febr. 1918 an Befehlshaber der k. u. k. Kriegsmarine; 1920–1944 Reichsverweser; im Okt. 1944 in Bayern interniert; im Mai 1945 von der US-Armee befreit, emigrierte 1948 in die Schweiz, anschließend nach Portugal.

Skript

Telegramm von Ribbentrop

 

Ich bitte Sie, sofort nach Erhalt dieses Telegramms den Reichsverweser aufzusuchen und ihm im Namen des Führers mündlich folgendes zu eröffnen:

1.) Der Führer hat von der vom Reichsbevollmächtigten übermittelten Mitteilung des Reichsverwesers, wonach dieser beabsichtigte, die derzeitige Regierung Sztojay, deren Einsetzung seinerzeit im Einvernehmen mit der deutschen Regierung erfolgte, abzuberufen und eine Militärregierung einzusetzen, mit äußerstem Befremden Kenntnis genommen. Mit noch größerem Befremden hat der Führer dem Bericht des Reichsbevollmächtigten entnommen, daß der Reichsverweser Verhaftungsbefehle gegen einzelne Minister und Staatssekretäre der Regierung Sztojay, die in letzter Zeit Maßnahmen gegen die Juden durchgeführt haben, erlassen hätte.

2.) Der Führer müsse in diesen beabsichtigten Maßnahmen eine Wiederholung der Machenschaften erblicken, die seinerzeit zu dem Eingreifen Deutschlands in Ungarn am 19. März geführt haben. Nach den erhaltenen Nachrichten seien hier anscheinend erneut Personen der gleichen Clique von Verrätern an der deutsch-ungarischen Sache am Werke, die Ungarn schon einmal an den Rand des Abgrundes gebracht haben.

3.) Der Führer müsse in jedem Vorgehen gegen die Regierung Sztojay einen Bruch des am 19.3. beschlossenen neuen politischen Kurses in Ungarn sehen und in dem jetzigen Existenzkampf Europas um seine Zukunft jedes Abweichen von dem im März beschrittenen Wege als glatten Verrat an der europäischen Sache betrachten. Er werde in diesem Fall den Reichsbevollmächtigten, Gesandten Veesenmayer, sofort abberufen und diejenigen Maßnahmen ergreifen, die eine Wiederholung solcher Vorfälle in Ungarn ein für allemal ausschließen.

4.) Sollte irgendein Mitglied der uns in allen Einzelheiten genau bekannten Clique innerhalb und außerhalb der Burg, die den Reichsverweser – wir zweifelten nicht, gegen seinen Willen, wie ja aus der Zurücknahme der Maßnahmen nach der aufklärenden Besprechung mit Gesandten Veesenmayer hervorgeht – zu seinem Vorgehen bestimmt hat, noch einmal in Ungarn in irgendeiner Form politisch hervortreten oder sich zu betätigen versuchen, so würde der Führer den Betreffenden sofort durch den SD verhaften und innerhalb von 24 Stunden justifizieren lassen.

5.) Der Führer erwarte, daß nunmehr ohne jedes weitere Verzögern die Maßnahmen gegen die Budapester Juden von der ungarischen Regierung durchgeführt werden mit den Ausnahmen, die von der Reichsregierung auf Vorschlag des Gesandten Veesenmayer grundsätzlich der ungarischen Regierung zugestanden worden sind. Irgendeine Verzögerung in der Durchführung der allgemeinen Judenmaßnahmen darf durch diese Ausnahmen aber nicht eintreten, andernfalls die Zustimmung zu diesen Ausnahmen vom Führer wieder rückgängig gemacht werden müßte.