Dok. 13-304

Der britische Kolonialminister Oliver Stanley empfiehlt am 8. Dezember 1942 eine Rettungsaktion für jüdische Kinder aus Bulgarien, denen die Vernichtung drohe

In Bezug auf das Flüchtlingsproblem wurde im September 1939

In Bezug auf das Flüchtlingsproblem wurde im September 1939

Orte
  • Grenze Staatsgrenzen von 1937
Personen

Oliver Stanley (1896–1950), Jurist und Politiker; 1937–1940 Handelsminister, 1940 Kriegsminister unter Premierminister Neville Chamberlain, 1942–1945 Kolonialminister unter Winston Churchill.

 

Winston Churchill (1874–1965), Berufsoffizier, Schriftsteller und Politiker; 1895–1901 Kriegsberichterstatter in verschiedenen Kolonialkriegen, von 1901 an Mitglied des Unterhauses, von 1911 an Erster Lord der Admiralität, 1922–1929 Schatzkanzler, im Sept. 1929 in das Kabinett Chamberlain berufen, von Mai 1940 an dessen Nachfolger als Premierminister; im Juli 1945 abgewählt, 1951–1955 erneut Premierminister.

Skript

Entwurf, ohne Unterschrift und Datum, an Premierminister Churchill

 

Premierminister,

1.) In Bezug auf das Flüchtlingsproblem wurde im September 1939 auf Empfehlung des Kabinettsausschusses beschlossen, dass „es der Regierung Seiner Majestät aus prinzipiellen Gründen unmöglich ist, Bürgern eines Staates, mit dem sie in kriegerischen Auseinandersetzungen steht, bei der Flucht behilflich zu sein, weil die Regierung Seiner Majestät zwischen Flüchtlingen und anderen deutschen Staatsbürgern nicht differenzieren kann. Dies trifft sowohl auf die von den Deutschen kontrollierten Gebiete als auch auf das Deutsche Reich zu.“
Aufgrund dieses Beschlusses sahen sich meine Amtsvorgänger im Kolonialministerium außerstande, der Einwanderung von Juden aus den europäischen Achsenländern nach Palästina zuzustimmen.
2.) In letzter Zeit allerdings häufen sich die Hinweise, wonach das antisemitische Regime in Bulgarien verschärft wird. Daher mahnt die Jewish Agency for Palestine dringend, die Regierung Seiner Majestät möge ihr Möglichstes tun, um die noch dort verbliebenen Juden vor der Vernichtung zu bewahren und ihnen Zuflucht in Palästina zu gewähren. Sollte dieses Zugeständnis den Erwachsenen gegenüber nicht möglich sein, wird darum gebeten, zumindest die Kinder zu retten.
3.) Diesbezüglich wurde der Hochkommissar in Palästina konsultiert, der meinem Vorschlag, eine Reihe von Kindern aus Bulgarien (zusammen mit einer Gruppe erwachsener Begleiter) in Palästina aufzunehmen, im Rahmen der ersten für 1943 festgesetzten Einwanderungsquote im Prinzip zustimmt. Die genaue Zahl würde in Verhandlungen mit dem Hochkommissar festgelegt werden müssen. Ich habe den Außenminister kontaktiert, der mit dem Vorhaben ebenfalls einverstanden ist. Auch das Kriegsministerium erhebt keine sicherheitspolitischen Einwände.
4.) Jüngste Berichte über die systematische Ausrottung der Juden in den Achsenstaaten und den von ihnen kontrollierten Ländern haben die Öffentlichkeit wachgerüttelt. Wir können für die große Masse der noch Lebenden nichts tun. Doch dieser Fall böte Gelegenheit, unsere Bereitschaft zu helfen unter Beweis zu stellen, sollten die Bedingungen es zulassen. Soweit sich unser Vorschlag auf eine konkrete Zahl von Kindern beschränkt, bestehen aus unserer Sicht keine ernsthaften Risiken.
5.) Ich wäre glücklich, wenn Sie dem von mir vorgeschlagenen Vorgehen zustimmten oder meinen Vorschlag dem Kriegskabinett zur Bewilligung weiterleiten würden.