Dok. 11-157

Albert Speer bedrängt Joseph Goebbels am 7. August 1944, den Arbeitseinsatz von Juden aus Ungarn auf Reichsgebiet zu unterstützen

Lieber Parteigenosse Goebbels! Auf Grund einer Entscheidung

Lieber Parteigenosse Goebbels! Auf Grund einer Entscheidung

Orte
  • Grenze Staatsgrenzen von 1937
  •  
Personen

Albert Speer (1905–1981), Architekt; 1931 NSDAP- und SA-Eintritt; von 1934 an Planer und Architekt großer Bauvorhaben, u. a. der Neuen Reichskanzlei, seit 1937 Generalbauinspektor der Reichshauptstadt, 1942 RMfRuK (Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion); 1946 im Nürnberger Prozess zu 20 Jahren Haft verurteilt, 1966 entlassen.

 

Ernst Friedrich (Fritz) Sauckel (1894–1946); von 1942 an Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz, in dieser Funktion für die Verschleppung von Millionen Zwangsarbeitern verantwortlich. Sauckel war Anfang Jan. 1944 von Hitler beauftragt worden, rund vier Millionen zusätzliche ausländische Zwangsarbeiter in das Reich zu holen, ohne sie den Sperrbetrieben zu entziehen. Seit 1943 hatte sich eine Kontroverse zwischen Speer und Sauckel um die Politik der Arbeiterrekrutierung in den Sperrbetrieben entwickelt, die verhinderte, dass insbesondere Industriearbeiter nach Deutschland geholt werden konnten.

 

Skript

Lieber Parteigenosse Goebbels!

Auf Grund einer Entscheidung des Führers ist bekanntlich in den letzten Wochen eine große Anzahl ungarischer Juden als KZ-Häftlinge in der deutschen Kriegswirtschaft eingesetzt worden. Die Erfahrungen sind bisher recht gut, so daß ich großen Wert darauf lege, daß auch die noch nicht eingesetzten ungarischen Juden beschleunigt der Rüstung zur Verfügung gestellt werden. Wir müssen bei der augenblicklichen ernsten Lage eben alle Möglichkeiten erschöpfen, die die Arbeitseinsatzschwierigkeiten erleichtern helfen.

Nunmehr erfahre ich, daß Gauleiter Sauckel den Einsatz ungarischer Juden in Thüringen, als seinem Gau, grundsätzlich verboten habe. Dieses Verbot darf meines Erachtens unter keinen Umständen aufrechterhalten bleiben. Es würde andernfalls nicht ausbleiben, daß auch die anderen Gauleiter ein ähnliches Verbot erlassen. Damit würde der gesamte Einsatz der ungarischen Juden hinfällig. Selbstverständlich widerspricht die Beschäftigung dieser ungarischen Juden in deutschen Gauen auch meinem Empfinden. Es kann jedoch im Augenblick auf eine solche Notmaßnahme unter keinen Umständen verzichtet werden. Durch die KZ-mäßige Unterbringung der Juden ist im übrigen sichergestellt, daß weder das Empfinden der deutschen Bevölkerung verletzt wird noch daß durch die Juden irgendein Unheil angerichtet werden kann.

Ich wäre Ihnen dankbar, lieber Parteigenosse Dr. Goebbels, wenn Sie auf Gauleiter Sauckel einwirken würden, daß das von ihm ausgesprochene Verbot, das den derzeitigen Maßnahmen zur totalen Kriegsführung geradezu widerspricht, schnellstmöglich wieder zurückgezogen wird.

Heil Hitler!