Dok. 08-219

Ein Offizier des SS-Polizeiregiments 15 gibt nach der Auslöschung des Gettos Pinsk im November 1942 Ratschläge für zukünftige Mordaktionen

Wenn auch keine Zugänge zu den Dachböden erkennbar sind, so muß

Wenn auch keine Zugänge zu den Dachböden erkennbar sind, so muß

Orte
  • Grenze Staatsgrenzen von 1937
  • Grenze Staatsgrenzen und Grenzen der Unionsrepubliken der UdSSR 1938–1941
  • Grenze Deutsch-sowjetische Demarkationslinie im besetzten Polen vom 28. Sept.1939
  • Grenze Grenze zwischen den eingegliederten Gebieten und dem Generalgouvernement
Personen

Helmut Saur (1914–1969),Handlungsgehilfe;1934 SS-,1935 NSDAP-Eintritt,von 1936 an Angehöriger der Leibstandarte Adolf Hitler; 1934–1936 freiwilliger Militärdienst, von Juli 1942 an Führer der 10. Kompanie des Polizeibataillons 15; nach dem Krieg Angestellter einer Elektrofirma in Fürth.

 

Emil Kursk (1894–1945), Berufsoffizier; 1914–1917 Offizier der russ. Armee, von 1918 an Offizier der estn. Streitkräfte, im Okt. 1939 ausgeschieden, später Eintritt in deutsche Dienste und von Juli 1942 an Kommandeur des Polizeiregiments 15; im Juli 1943 in den Ruhestand versetzt, weil seine Frau als Halbjüdin galt.

Skript

Bericht des Führers der 10. Kompanie des SS-Polizeiregiments 15, gezeichnet Saur

 

Erfahrungsbericht.

Die Komp. erhielt am 27. X. 42, nachdem der Befehl zum sofortigen Abmarsch aufgehoben war, den Befehl, am 28. X. 42 21.00 Uhr in Kobryn einzutreffen. Die Komp. Traf verlastet, befehlsgemäß in Kobryn ein und wurde von hier nach Pinsk in Marsch gesetzt.

Eintreffen am Westausgang Pinsk 29. X. 42 04.00 Uhr.

 

Die am 28. X. 42 in Pinsk stattgefundene Besprechung bei Kommandeur Oberst Kursk ergab, daß 2 Bataillone., und zwar das II. Bataillon des Polizeiregimentes 15 und die Reiterabteilung 2 die äußere Absperrung übernehmen, während die 10. Kompanie des Polizeiregiments 15 und die 11. Kompanie des 11. Polizeiregiments ohne 2 Züge mit der Durchkämmung des Ghettos beauftragt wurden. Die 11. Kompanie des 11. Polizeiregiments (ohne 1 Zug (dieser wurde am Nachmittag ebenfalls von der Durchkämmung entbunden) war für die Bewachung am Sammelplatz,

Sicherung der einzelnen Transporte zum Exekutionsplatz, der etwa 4 km außerhalb Pinsk lag, und Absperrung des Exekutionsplatzes bestimmt. Für letztere Aufgabe wurden im weiteren Verlauf der Aktion teilweise Reiter eingesetzt. Diese Maßnahme bewährte sich tadellos, da bei einem Fluchtversuch von 150 Juden alle wieder ergriffen werden konnten, obwohl sich diese z. T. bis auf einige km entfernt hatten.

Die befohlene Absperrung stand um 04.30 Uhr, und es zeigte sich, daß in Anbetracht der vorangegangenen persönlichen Erkundung der eingesetzten Führer unter Wahrung der Geheimhaltung die Absperrung in kürzester Zeit stand und ein Entweichen von Juden unmöglich war.

Mit der Durchkämmung des Ghettos sollte befehlsgemäß um 06.00 Uhr begonnen werden. Infolge der noch bestehenden Dunkelheit wurde der Beginn der Durchkämmung um eine halbe Stunde verschoben. Die Juden, nun aufmerksam geworden, sammelten sich zum größten Teil freiwillig auf allen Straßen, und mit Hilfe von 2 Wachtmeistern gelang es, schon in der ersten Stunde einige tausend zum Sammelplatz zu lotsen. Da nun der andere Teil der Juden sah, wohin es ging, schlossen sie sich dem Zuge an, so daß die vom SD am Sammelplatz in Aussicht genommene Sichtung auf Grund des starken und plötzlichen Anlaufs nicht mehr erfolgen konnte. (Man hatte für den ersten Tag der Durchkämmung nur mit 1–2000 Personen gerechnet.) Die erste Durchkämmung war um 17.00 Uhr beendet und verlief ohne Zwischenfälle. Am 1. Tag wurden ca. 10 000 Personen exekutiert.

Für die Nacht lag die Kompanie in Alarmbereitschaft im Soldatenheim.

Am 30. X. wurde das Ghetto zum zweiten, am 31. X. zum dritten und am 1. XI. zum vierten Male durchkämmt. Es wurden insgesamt ca. 15 000 Juden dem Sammelplatz zugeführt. Kranke Juden und einzelne, in den Häusern zurückgelassene Kinder wurden sofort im Ghetto auf dem Hofe exekutiert. Im Ghetto wurden ca. 1200 Juden exekutiert.

Zu Zwischenfällen kam es bis auf einen Fall nicht. Auf Grund dessen, daß den Juden, die Gold vergraben hatten und dieses anzeigten, das Leben versprochen wurde, meldete sich ein Jude, der vorgab, eine Menge Gold versteckt zu haben. Es ging ein Wachtmeister mit. Da der Jude jedoch dauernd zögerte und den Wm. immer wieder aufforderte, mit auf den Dachboden zu gehen, brachte der Wachtmeister den Juden wieder zu einem Sammelplatz im Ghetto. Hier weigerte sich der Jude, sich wie alle anderen Juden auf den Boden zu setzen. Plötzlich sprang der Jude einen Angehörigen der Reiterschwadron an, entwendete ihm sein Gewehr und einen Stock und hieb mit letzterem auf den Angehörigen der Reiterschwadron ein. Nur durch das Dazwischentreten von Angehörigen der Komp. konnte dieser Angriff vereitelt werden.

Da von den Schußwaffen kein Gebrauch gemacht werden konnte, wurde er bei dem sich entwickelnden Kampf mit einem Beil so auf den Kopf getroffen, daß er zu Boden sank und dort liegenblieb. Er wurde an Ort und Stelle exekutiert.

Am 1. XI. wurde die Kompanie ab 17.00 Uhr zur äußeren Absperrung eingesetzt und zu ihrem Standorte in Marsch gesetzt. Besondere Vorfälle ereigneten sich nicht.

Am 2. XI. 42 08.00 Uhr wurde die Kompanie vom Sondereinsatz Pinsk entlassen und zu ihrem Standort in Marsch gesetzt. Die Kompanie erreichte gegen 13.00 Uhr Kobryn, gegen 17.00 Uhr waren alle Stützpunkte wieder erreicht.

Erfahrung:

1.) Für die Durchkämmungskräfte ist es unbedingt erforderlich, daß ihnen Beile, Äxte u.a. Werkzeuge mitgegeben werden, da es sich herausgestellt hat, daß fast sämtliche Türen usw. verriegelt bzw. verschlossen waren und nur mit Gewalt geöffnet werden konnten.

2.) Wenn auch keine Zugänge zu den Dachböden erkennbar sind, so muß doch damit gerechnet werden, daß sich dort Personen aufhalten. Es ist jeder Dachboden unter Umständen von außen genauestens zu durchsuchen.

3.) Wenn auch keine Keller vorhanden sind, so hält sich dennoch eine große Anzahl von Personen in dem kleinen Raum zwischen Erde und Fußboden auf. Diese Stellen sind von außen aufzubrechen und entweder durch Diensthunde nachstöbern zu lassen (bei der Aktion in Pinsk hat sich der Diensthund „Asta“ hierbei hervorragend bewährt) bzw. ist dort eine Handgranate hineinzuwerfen, worauf in allen Fällen die Juden unverzüglich ins Freie kommen.

4.) Es ist mit einem harten Gegenstand die Umgebung der Häuser abzusuchen, da unzählige Personen sich in gut getarnten Erdlöchern versteckt halten.

5.) Auf die Hinzuziehung von halbwüchsigen Personen zum Verrat dieser Verstecke unter Zusicherung ihres Lebens wird hingewiesen. Diese Methode hat sich gut bewährt.

6.) Erfahrungen bei der Absperrung wurden nicht gemacht.