Dok. 07-156

Der Gesandte Werner Otto von Hentig schildert dem Auswärtigen Amt in Berlin am 8. April 1942 die negativen Folgen des Judenmords auf der Krim

Ich fürchte, daß ich Sie mit dem ersten Bericht enttäuschen

Ich fürchte, daß ich Sie mit dem ersten Bericht enttäuschen

Orte
  • Grenze Staatsgrenzen von 1937
  • Grenze Staatsgrenzen und Grenzen der Unionsrepubliken der UdSSR 1938–1941
  • Grenze Deutsch-sowjetische Demarkationslinie im besetzten Polen vom 28. Sept.1939
  • Grenze Grenze zwischen den eingegliederten Gebieten und dem Generalgouvernement
  •  
Personen

Dr. Werner Otto von Hentig (1886–1984), Jurist; von 1911 an im diplomatischen Dienst, 1937 zum Leiter des Orientreferats im AA (Auswärtigen Amt) ernannt, Sept. 1941 bis Okt. 1942 Verbindungsoffizier des AA beim AOK (Armee-Oberkommando) 11, wegen fortgesetzter Kritik an der Besatzungspolitik nach Berlin zurückberufen; 1952–1954 Botschafter in Djakarta.

 

Skript

Anschreiben des Verbindungsoffiziers des Auswärtigen Amtes zu seinem ersten Bericht von der Krim

 

Ich fürchte, daß ich Sie mit dem ersten Bericht  enttäuschen werde. Er ist ja auch in seiner Tendenz geeignet, uns brotlos zu machen. Die frischen Eindrucke eines Unbefangenen, in diese Arbeit wieder Hineinkommenden waren aber so zwingend, das ich ihnen Worte leihen mußte. Was ich Ihnen gesagt habe, ist in vielem sogar abgeschwächt vorsichtig gefaßt. […]

Wenn ich den Fall der Erschießungen von Eupatoria angeführt habe, so ist das nur einer von vielen. Über die Folgen der Judenerschießungen, die allein hier in Simferopol 12.000 betrugen, bin ich dabei gar nicht eingegangen. Die Wirkungen einer solchen Schlächterei beschränken sich ja keineswegs auf die Opfer selbst; sie berühren einmal die gesamte Bevölkerung des besetzten Gebietes, weil natürlich keiner für möglich gehalten hat, daß wir Frauen und Kinder töten. Sie berühren aber auch die Moral der Truppen und weiterhin auch unsere wirtschaftliche Stellung. Von den Wirkungen im weiteren Ausland natürlich vollkommen abgesehen. Durch die Judenermordungen in Nikolajew sind beispielsweise – wie übrigens auch hier in der Stadt und damit auch unserer Heeresverwaltung – sämtliche Handwerker entzogen worden. Die politisch tätigen und verdächtigen Juden waren sämtlich mit der russischen Armee entwichen. So mußte die Stadt Nikolajew und damit ein wichtiger Teil unseres rückwärtigen Heeresgebietes unter dem Mangel an Arbeitskräften leiden und diese naturgemäß von der Truppe, soweit überhaupt möglich, gestellt oder ihr Ausfall mit Entbehrungen bezahlt werden.

[…]