Dok. 04-092

Der Historiker Emanuel Ringelblum notiert am 6. März 1940 Berichte über deutsche Gewaltakte gegen polnische Juden

Meine Lieben,
hörte heute, den 6. März, folgende Geschichte: Auf der Dynasy-Straße

Meine Lieben,
hörte heute, den 6. März, folgende Geschichte: Auf der Dynasy-Straße

Orte
  • Grenze Staatsgrenzen von 1937
  • Grenze Staatsgrenzen und Grenzen der Unionsrepubliken der UdSSR 1938–1941
  • Grenze Deutsch-sowjetische Demarkationslinie im besetzten Polen vom 28. Sept.1939
  • Grenze Grenze zwischen den eingegliederten Gebieten und dem Generalgouvernement
  •  
Personen

Dr. Emanuel Ringelblum (1900–1944), Lehrer, Historiker; Studium in Warschau; Mitglied der Partei Poale Zion-Linke; 1938/39 als Vertreter des Joint im Auffanglager Zbąszyń (Neu-Bentschen) tätig; Aug. 1939 Teilnehmer am 21. Zionistenkongress in Genf; 1940 Gründer und Leiter des Untergrundarchivs des Warschauer Gettos (Oneg Schabbat). Aus Gründen der Tarnung schrieb Ringelblum seine Aufzeichnungen in Form von Briefen nieder. Ringelblum konnte sich bis zum März 1944 versteckt halten und wurde dann von den Deutschen entdeckt und erschossen.

 

Skript

Handschriftl. Aufzeichnungen

 

Meine Lieben,

hörte heute, den 6. März, folgende Geschichte: Auf der Dynasy-Straße hat man Herrn Welwele zur Arbeit gezwungen: „Du bist kein Mensch, du bist kein Tier, du bist Jude.“ Ihn hierfür geschlagen: ihm befohlen, den Füllfederhalter auf den Boden zu werfen, diesen später fortgenommen, ihm aber befohlen, ihn zu suchen. Lag mehrere Wochen im Bett. Auf der Tłomackie-Straße 2 vergewaltigten drei Herrenmenschen, Gewalttaten im ganzen Hof. Die Gestapo interessiert sich für Rassenschande, aber man fürchtet sich, solche Fälle zu melden. […] In Lodz dürfen Juden nicht mit der Straßenbahn fahren, in Krakau, laut dem „Warschauer Kurier“, nur auf der hinteren Plattform. Über 1000 Menschen von Lodz nach Piotrków ausgewiesen; 900 Polen und 600 Juden. Polen werden zum Arbeitseinsatz gezwungen und von dort weggebracht. Gerüchte, dass man sowohl in Warschau als auch in Krakau jüdische Armbinden anlegt. Die Tragödie der Kriegsgefangenen im Warthegau. Man schickte über 600 auf einen Transport. In Lublin konnte die Gemeinde sie nicht aufnehmen, hatte keine Zivilkleidung. Weitergeschickt nach Parczew. Auf diejenigen geschossen, die auf dem Weg stehen blieben. Gingen in Holzschuhen, die abfielen. Viele Verwundete erschossen. Danach in zwei Scheunen gebracht. Es waren […] über 200 Menschen, in Gruppen zu je 20 abgeführt und ermordet. Von 627 blieben nur 278. Über zwanzig gelang die Flucht. Sie töteten jeweils drei mit einer Kugel.

[…]