Heinrich Mann (1871–1950), Schriftsteller; emigrierte im Februar 1933 nach Frankreich, 1940 von dort in die USA.
Die deutschen Juden werden planmässig vernichtet, daran ist nicht mehr zu zweifeln. Vorsichtige ältere Juden sagten vor zwei Jahren: „Wir leben doch in einem Rechtsstaat“ – was sie für den unabänderlichen Schutz halten wollten gegen alle noch drohenden Ausschreitungen des Gefühls und der Propaganda. Damals waren die ersten Pogrome schon gewesen. Da dann Ruhe eintrat, konnte man sich einreden, das Gesetz wäre dennoch der stärkere Teil, nicht aber die Volksseele und ihre Lenker. Jetzt glaubt das niemand mehr. Es ist erwiesen, dass das nationalsozialistische Interesse über dem Gesetz steht und dass es Gesetze macht. Recht ist inzwischen geworden, was „dem deutschen Volke nützt“, auch das Bösartigste, auch das Infamste.
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