Dok. 05-176

Die Militärverwaltung beschließt am 15. Oktober 1941 die Gründung einer Zwangsvereinigung der Juden in Belgien

Aktenvermerk des Militärbefehlshabers in Belgien und Nordfrankreich

Aktenvermerk des Militärbefehlshabers in Belgien und Nordfrankreich

Orte
  • Grenze Staatsgrenzen von 1937
Personen

Otto Froitzheim (1884–1962), Jurist; 1907–1925 international erfolgreicher Tennisspieler; 1914–1918 in Großbritannien interniert; bis 1933 in Polizeipräsidien verschiedener Städte tätig, 1933–1945 Regierungsvizepräsident in Aachen, 1941–1943 stellv. Leiter der Verwaltungsabt. der Militärverwaltung.

 

Dr. Eugen Löffler (1883–1979), Pädagoge; 1907–1918 Lehrer, von 1918 an in der württemberg. Verwaltung tätig, 1924–1951 Leiter der Schulabt. im Kultusministerium; 1940–1944 Leiter der Gruppe Schule in der Militärverwaltung in Belgien; 1950–1965 Vorsitzender des pädagogischen Beirats des Goethe-Instituts.

 

Dr. Reinhard Höllfritsch (1909–1944), Jurist; 1931 NSDAP-Eintritt; 1935–1938
Reg. Rat im Bezirksamt Eggenfelden und 1938–1940 im RMdI (Reichsministerium des Innern), 1940–1943 im Stab der Militärverwaltung, 1943 zur Wehrmacht eingezogen, an der Ostfront gefallen.

 

Dr. Johannes Duntze (1901–1987), Jurist; von 1928 an in der badischen Verwaltung; 1937 NSDAP-Eintritt; 1940–1944 Leitung der Abt. Sozialwesen bei der Gruppe VII der Wirtschaftsabt. des Militärverwaltungschefs; 1945–1946 Kriegsgefangenschaft; 1949–1953 in verschiedenen Ministerien Baden-Württembergs tätig, 1953–1967 Leiter der Sozialabt. im Bundesinnenministerium.

 

Dr. Rudolf Leiber (1896–1988), Jurist; von 1923 an im Verwaltungsdienst, 1940–1944 bei der Militärverwaltung in Belgien, 1940–1942 Leiter der Gruppe Polizei der Verwaltungsabt.; 1946–1962 Polizeipräsident in Mannheim, 1963–1975 Mitglied des Stadtrats (CDU).

Skript

Aktenvermerk des Militärbefehlshabers in Belgien und Nordfrankreich auf Anordnung von KVACh [Kriegsverwaltungsabteilungschef] Froitzheim

 

Betr.: Errichtung einer Vereinigung der Juden in Belgien.

1) Aktenvermerk:

Bei KVACh [Kriegsverwaltungsabteilungschef] Froitzheim hat am 15.10.1941 eine Besprechung stattgefunden, an welcher OKVR [Oberkriegsverwaltungsrat] Löffler, OKVR Leiber, OKVR Duntze und KVR [Kriegsverwaltungsrat] Höllfritsch teilgenommen haben. Es wurde eingehend der vom S.D. [Sicherheitsdienst] vorgelegte Entwurf einer Verordnung über die Errichtung einer Vereinigung der Juden in Belgien und die dazu von den beteiligten Gruppen der Militärverwaltung erstatteten Äußerungen besprochen. Als Ergebnis der Besprechung ist festzuhalten:

1. Die zwangsweise Errichtung einer Vereinigung der Juden in Belgien wird für notwendig erachtet. Sie hat zum Ziel die moralische Ghettoisierung der Judenwirtschaft in Belgien, insbesondere deren Ausschaltung aus dem sozialen Leben. Ein anderer Weg, dieses nach den deutschen Auffassungen notwendige Ziel zu erreichen, scheint nicht gegeben. Diesem Ziel müssen sich die Gründe, welche gegen das Vorhaben sprechen, unterordnen. Als solche Gründe werden geltend gemacht:

a) Es könnte vom polizeilichen Standpunkt aus bedenklich erscheinen, die bisher gestaltlose Judenschaft nunmehr organisatorisch zusammenzufassen und damit eine einheitliche Leitung und Führung des Judentums, das bisher in sich zersplittert ist, herzustellen.

b) Die Zusammensetzung einer die gesamte Judenschaft Belgiens umfassenden Vereinigung ist in keiner Weise homogen. Sie würde sowohl religiösorientierte wie indifferente als auch getaufte Juden enthalten. Ihre soziale Struktur umfaßt sowohl nicht polizeilich auffällige, wie in großer Zahl kriminelle Juden, von denen vor allem Schieber, Betrüger, Zuhälter und Bordellwirte zu erwähnen sind. Diese mangelnde Homogenität wird zwar das Aufkommen eines Gemeinschaftsgefühls unter den Rassejuden verhindern, wird aber sicher Spannungen hervorrufen, die auch die Erfüllung der im deutschen Interesse notwendigen Aufgaben gefährden.

c) Der weitgehende Einfluß, welcher der Synagoge eingeräumt werden muß, birgt die Gefahr in sich, das religiös-indifferente Judentum wieder an die Synagoge heranzuführen. Hierin besteht deutscherseits keinerlei Interesse.

d) Die Vereinigung wird sich in ihrem Mitgliederbestand nur auf die im Judenregister eingetragenen Juden stützen können. Der sicherlich verhältnismäßig hohe Prozentsatz der Mischlinge, welche[r] vom belgischen Bürgertum aufgenommen worden ist, wird mangels Mitarbeit der Bevölkerung nicht erfaßt werden.

e) Die von der Militärverwaltung geschaffene Zwangsvereinigung wird nur unwillig arbeiten, da sie von der Besatzungsmacht geschaffen ist. Sie wird erst recht nicht auf die bereitwillige Mitarbeit sowohl der belgischen Behörden als auch ihrer zwangsweise zusammengeschlossenen Mitglieder zählen können.

Alle diese Einwendungen vermögen in Anbetracht des gesteckten Ziels nicht durchzuschlagen.

[…]