Dok. 02-146

Besprechung bei Göring am 12. November 1938 über die antijüdische Politik nach dem Pogrom

Stenographische Niederschrift eines Teils der Besprechung unter

Stenographische Niederschrift eines Teils der Besprechung unter

Orte

._._._ Staatsgrenzen von 1937

Personen

An der Konferenz nahmen über hundert hochrangige Beamte, Minister und Staatssekretäre teil, darunter für das Reichsministerium des Innern Innenminister Frick, Staatssekretär Stuckart sowie der Rassereferent Bernhard Lösener; für das Auswärtige Amt der Leiter der Politischen Abt. Woermann und Judenreferent Schumburg, ferner Adolf Eichmann.

Skript

Stenographische Niederschrift eines Teils der Besprechung unter dem Vorsitz von Feldmarschall Göring


Göring:

[…]

Darüber möchte ich keinen Zweifel lassen, meine Herren: die heutige Sitzung ist nicht dazu da, sich erneut darüber zu unterhalten, was getan werden sollte, sondern es fallen jetzt Entscheidungen, und ich bitte die Ressorts inständig, nun aber Schlag auf Schlag die notwendigen Maßnahmen zur Arisierung der Wirtschaft zu treffen und mir vorzulegen, soweit das notwendig ist.

Bei der Arisierung der Wirtschaft ist der Grundgedanke folgender: Der Jude wird aus der Wirtschaft ausgeschieden und tritt seine Wirtschaftsgüter an den Staat ab. Er wird dafür entschädigt. Die Entschädigung wird im Schuldbuch vermerkt und wird ihm zu einem bestimmten Prozentsatz verzinst. Davon hat er zu leben.

Es ist selbstverständlich, daß wir diese Arisierung, wenn sie schnell erfolgen soll, nicht etwa zentral allein im Wirtschaftsministerium in Berlin machen können. Dann würde man damit nicht fertig.

[…]

Zunächst gibt der Wirtschaftsminister bekannt, welche Geschäfte er überhaupt stillegen will, weil sie übersetzt sind. Diese Geschäfte scheiden bei der Arisierung von vornherein aus. Die vorhandenen Waren sind für andere Geschäfte zum Verkauf freizustellen. Soweit sie nicht abgesetzt werden können, wird sich irgendein Weg finden, sie in die Winterhilfe hineinzuführen oder sonstwie zu verwerten. Es muß natürlich immer die kaufmännische Verwertung angestrebt werden; denn bei dieser ganzen Umwandlung soll der Staat nicht leiden, sondern soll einen Vorteil davon haben. Zweitens sind für die Kaufläden und Kaufhäuser – ich spreche jetzt nur von dem, was sichtbar zutage tritt – Kategorien aufzustellen entsprechend der Wichtigkeit der einzelnen Branchen.

Der Treuhänder des Staates schätzt das Geschäft ab und bestimmt, welchen Betrag der Jude bekommt. Dieser Betrag ist selbstverständlich an sich schon möglichst niedrig zu halten. Das Geschäft wird dann von der Treuhand in arischen Besitz überführt, und hierbei ist der Aufschlag zu erzielen, d.h. das Geschäft ist entsprechend seinem normalen tatsächlichen Verkehrswert und Bilanzwert an den Mann zu bringen.

[…]

[W]enn die Fabrik notwendig ist, wird sie arisiert. Wenn sie nicht notwendig ist, werden ihre Anlagen jener Aktion zur Verfügung gestellt, die ich sowieso in den nächsten Wochen durchführen muß, nämlich der Aktion zur Umwandlung von nicht lebensnotwendigen Produktionswerkstätten in lebenswichtige. Dazu werde ich noch sehr viel Raum und sehr viele Fabriken brauchen.

[…]

Goebbels: Es sind fast in allen deutschen Städten Synagogen niedergebrannt. Nun ergeben sich für die Plätze, auf denen die Synagogen gestanden haben, die vielfältigsten Verwendungsmöglichkeiten. Die einen Städte wollen sie zu Parkplätzen umgestalten, andere wollen dort wieder Gebäude errichten.

Göring: Wie viele Synagogen sind tatsächlich niedergebrannt?

Heydrich: Es sind im ganzen 101 Synagogen durch Brand zerstört, 76 Synagogen demoliert, 7500 zerstörte Geschäfte im Reich.

Göring: Was heißt: durch Brand zerstört?

Heydrich: Z.T. abgebrannt, z.T. ausgebrannt.

Goebbels: Ich bin der Meinung, daß das der Anlaß sein muß, die Synagogen aufzulösen. Alle, die nicht mehr vollkommen intakt sind, müssen von den Juden niedergelegt werden. Die Juden müssen das bezahlen. Hier in Berlin sind die Juden dazu bereit. Die Synagogen, die in Berlin gebrannt haben, werden von den Juden selbst niedergelegt. Wir können sie z.T. zu Parkplätzen umgestalten, z.T. werden dort andere Gebäude errichtet werden. Das muß nun, glaube ich, als Richtschnur für das ganze Land herausgegeben werden, daß die Juden selbst die beschädigten oder angebrannten Synagogen zu beseitigen haben und der deutschen Volksgemeinschaft fertige freie Plätze zur Verfügung zu stellen haben.

Ich halte es für notwendig, jetzt eine Verordnung herauszugeben, daß den Juden verboten wird, deutsche Theater, Kinotheater und Zirkusse zu besuchen. Ich habe schon auf Grund des Kulturkammergesetzes eine solche Verordnung herausgegeben. Ich glaube, daß wir uns das auf Grund unserer heutigen Theaterlage leisten können. Die Theater sind sowieso überfüllt. Wir haben kaum Platz. Ich bin aber der Meinung, daß es nicht möglich ist, Juden neben Deutsche in Varietees, Kinos oder Theater hineinzusetzen. Man könnte eventuell später überlegen, den Juden hier in Berlin 1 oder 2 Kinos zur Verfügung zu stellen, wo sie jüdische Filme vorführen können. Aber in deutschen Theatern haben sie nichts mehr verloren.

Weiterhin halte ich es für notwendig, daß die Juden überall da aus der Oeffentlichkeit herausgezogen werden, wo sie provokativ wirken. Es ist z.B. heute noch möglich, daß ein Jude mit einem Deutschen ein gemeinsames Schlafwagenabteil benutzt. Es muß also ein Erlaß des Reichsverkehrsministers herauskommen, daß für Juden besondere Abteile eingerichtet werden und daß, wenn dieses Abteil besetzt ist, die Juden keinen Anspruch auf Platz haben, daß die Juden aber nur dann, wenn alle Deutschen sitzen, ein besonderes Abteil bekommen, daß sie dagegen nicht unter die Deutschen gemischt werden und daß, wenn kein Platz ist, die Juden draußen im Flur zu stehen haben.

Göring: Da finde ich es viel vernünftiger, daß man ihnen eigene Abteile gibt.

Goebbels: Aber nicht, wenn der Zug überfüllt ist.

Göring: Einen Moment! Es gibt nur einen jüdischen Wagen. Ist er besetzt, müssen die übrigen zu Hause bleiben.

Goebbels: Aber nehmen wir an: es sind nicht so viele Juden da, die mit dem Fern-D-Zug nach München fahren, sagen wir: es sitzen zwei Juden im Zug, und die anderen Abteile sind überfüllt. Diese beiden Juden hätten nun Sonderabteil. Man muß deshalb sagen: die Juden haben erst dann Anspruch auf Platz, wenn alle Deutschen sitzen.

[…]

Es wäre zu überlegen, ob es nicht notwendig ist, den Juden das Betreten des deutschen Waldes zu verbieten. Heute laufen Juden rudelweise im Grunewald herum. Das ist ein dauerndes Provozieren, wir haben dauernd Zwischenfälle. Was die Juden machen, ist so aufreizend und provokativ, daß es dauernd zu Schlägereien kommt.

Göring: Also wir werden den Juden einen gewissen Waldteil zur Verfügung stellen, […].

[…]

Heydrich: Bei allem Herausnehmen des Juden aus dem Wirtschaftsleben bleibt das Grundproblem letzten Endes doch immer, daß der Jude aus Deutschland herauskommt. Darf ich dazu einige Vorschläge machen?

Wir haben in Wien auf Weisung des Reichskommissars eine Judenauswanderungszentrale eingerichtet, durch die wir in Oesterreich immerhin 50 000 Juden herausgebracht haben, während im Altreich in der gleichen Zeit nur 19 000 Juden herausgebracht werden konnten, und zwar ist uns das durch Zusammenarbeit mit dem zuständigen Wirtschaftsministerium und den ausländischen Hilfsorganisationen gelungen.

[…]

Wir haben das in der Form gemacht, daß wir den reichen Juden, die auswandern wollten, bei der jüdischen Kulturgemeinde eine gewisse Summe abgefordert haben. Mit dieser Summe und Devisenzuzahlungen konnte dann eine Anzahl der armen Juden herausgebracht werden. Das Problem war ja nicht, den reichen Juden herauszukriegen, sondern den jüdischen Mob.

[…]