Dok. 15-276

Veesenmayer benachrichtigt das Auswärtige Amt am 18. Oktober 1944, Eichmann verhandele über die Übergabe von 50 000 jüdischen Arbeitskräften an das Deutsche Reich


Mit geänderter politischer Lage ist auch die Judenfrage

Mit geänderter politischer Lage ist auch die Judenfrage

Orte
  • Grenze Staatsgrenzen von 1937
  •  
Personen

Edmund Veesenmayer (1904–1977), Staatswissenschaftler; 1932 NSDAP-, 1934 SS-Eintritt; 1938–1945 im Dienst des AA, von 1938 an als Informant bzw. Verbindungsmann des AA tätig, vom 19.3.1944 an Gesandter I. Klasse, „Bevollmächtigter des Großdeutschen Reichs“ in Ungarn und SS-Brigadeführer; März 1945 Flucht nach Österreich, 1949 im Nürnberger Wilhelmstraßen-Prozess zu 20 Jahren Haft verurteilt, 1951 begnadigt.

 

Adolf Eichmann (1906–1962), Vertreter; 1932 NSDAP- und SS-Eintritt; 1934–1938 im SD-Hauptamt tätig, führte von Sommer 1938 an die Geschäfte der Zentralstelle für jüdische Auswanderung, erst in Wien, ab März 1939 auch in Prag; von Dez. 1939 an Sonderreferent des RSHA (Reichssicherheitshauptamt) für die Räumung der annektierten Ostprovinzen, dann Leiter des Ref. IV D4 (Räumungsangelegenheiten und Reichszentrale für jüdische Auswanderung), spätestens von März 1941 an IV B 4 (Juden-, Räumungsangelegenheiten), von März 1944 an Leiter des Sondereinsatzkommandos in Ungarn; 1945 Inhaftierung, 1946 Flucht, 1950–1960 in Argentinien untergetaucht, 1960 nach Israel entführt, dort 1961 zum Tode verurteilt, hingerichtet.

 

Otto Winkelmann (1894–1977), Offizier; von 1919 an im Polizeidienst; 1932 NSDAP-, 1938 SS-Eintritt; von 1939 an im Hauptamt der Ordnungspolizei, 1940 dort Chef des Amtsgruppenkommandos I, 1942 SS-Gruppenführer, Chef des Kommandoamtes; von 1944 an HSSPF (Höherer SS- und Polizeiführer) in Ungarn, Dez. 1944 Stadtkommandant von Budapest; 1955–1958 Mitglied der Ratsversammlung von Kiel, Zeuge im Eichmann-Prozess.

 

Miklós Horthy von Nagybánya (1868–1957), Admiral; 1909–1914 Flügeladjutant von Kaiser Franz Joseph I., von Febr. 1918 an Befehlshaber der k. u. k. Kriegsmarine; 1920–1944 Reichsverweser; im Okt. 1944 in Bayern interniert; im Mai 1945 von der US-Armee befreit, emigrierte 1948 in die Schweiz, anschließend nach Portugal.

Skript

Telegramm

 

Mit geänderter politischer Lage ist auch die Judenfrage hier in neues Stadium getreten. Obersturmbannführer Eichmann, der auf Antrag hiesigen Höheren SS-und Polizeiführers und Befehl des Chefs der Sicherheitspolizei heute nach Budapest zurückgekehrt ist, hat Verhandlungen mit ung. Stellen dahin aufgenommen, daß
50 000 männliche arbeitseinsatzfähige Juden aus Budapest im Fußtreck zum Arbeitseinsatz nach Deutschland transportiert, weiters arbeitsfähige männliche Juden aus Budapest sofort zu militärischen Befestigungsarbeiten in Umgebung eingesetzt und übrige Juden insgesamt in Ghetto-ähnlichen Lagern an Stadtperipherie konzentriert werden. Bereits seit gestern sind Einzelaktionen gegen Budapester Juden auch in Form persönlicher Ausschreitungen und Tötungen im Gange, die jedoch auf Anordnung neuer Regierung gestoppt werden sollen.

Es wird ferner angestrebt, für jüdischen Arbeitsdienst, der teilweise noch in unmittelbarer Frontnähe eingesetzt ist, endlich straffere Beaufsichtigung und geeignetere Sicherungsmaßnahmen zu erreichen.
Aus Veröffentlichungen neuer Regierung ist im übrigen zu ersehen, daß auch bisherige Ausnahme-Juden wieder zum Stern-Tragen verpflichtet werden. Gleiches gilt unter Androhung Bestrafung für Juden, die nach Horthy-Proklamation selbständig Stern für ihre Person abgelegt bezw. an Judenhäusern entfernt hatten.
Schließlich ist auch beabsichtigt, abschließende Provinzaktion gegen bisher ausgenommene oder verborgene Juden einschließlich Mischlingsjuden durchzuführen.