Petronella Diderika Sondervan (1905–1991), Bankangestellte; arbeitete in der Reichsversicherungsbank in Amsterdam.
Handschriftl. Tagebuch, Eintrag vom 26.2.1941
Ich glaube, dass jetzt ein neues Zeitalter in der niederländischen Geschichtsschreibung angebrochen ist, denn was gerade in Amsterdam passiert, übertrifft die schlimmsten Erwartungen. Oder sollte man es eine Wiederholung der Geschichte nennen?
Samstag oder Sonntag hat es begonnen. Da ist die Grüne Polizei ins Judenviertel gezogen und hat die Juden aus ihren Häusern gezerrt. Die Männer zwischen 20 und 35 wurden unter Misshandlungen auf Lastwagen geladen und abtransportiert. Wohin, weiß Gott allein. Man sagt, nach Castricum in die Konzentrationslager, und von da aus zur Zwangsarbeit nach Deutschland.
Das schreibt sich so leicht hin, aber die Dinge, die sich dabei wohl abgespielt haben, müssen so menschenunwürdig gewesen sein, dass einigen aus dem Büro, die sie beobachten konnten, übel wurde davon. Sie sollen die Juden auf der Haarlstraat barfuß haben marschieren und auf dem Waterlooplein eine Stunde knien lassen. Und die Misshandlungen. Sie wurden geschlagen und gestoßen, selbst jene, die sich gefügig zeigten. In anderen Fällen wurde der gesamte Hausrat zerstört, keine Tasse oder Untertasse blieb unversehrt.
Am Dienstag streikten in Amsterdam die Straßenbahn sowie die Stadtreinigung. Ihnen folgten zahlreiche Betriebe auf der gegenüberliegenden Seite des IJ. Fokker und die Schiffsbaubetriebe sowie zahlreiche andere. Viele Geschäfte, wie De Bijenkorf, Hema und fast alle Geschäfte in der Ferdinand Bolstraat blieben geschlossen. Alles aus Protest. Man sagt, dass die Arbeit nicht eher wiederaufgenommen würde, bis die Verfolgung der Juden aufhört. Zunächst fuhren auch die Fähren über das IJ nicht mehr, später haben sie ihren Betrieb wieder aufgenommen. Im Büro gab es auch einen Ansatz [zu streiken], es blieb allerdings beim Versuch, auch wenn er bereits ziemlich Form angenommen hatte.
Heute wurde gemeldet, dass es auf einigen Plätzen in Amsterdam zu Unruhen gekommen sei. Es soll mit Maschinengewehren geschossen worden sein, und Handgranaten seien geworfen worden. Die Streikenden und Passanten wollten die Straßenbahnen umkippen und die Fahrgäste, die drinsaßen, rausschmeißen (heute fuhren ab und zu wieder Straßenbahnen).
Man darf jetzt abends nach 7.30 Uhr nicht mehr aus dem Haus gehen und morgens nicht vor 8 Uhr.
In Haarlem und zu Hause haben einige Betriebe die Arbeit niedergelegt. Morgen wird Utrecht streiken.
In den Zeitungen und im Radio kein Wort darüber, heute Abend nur die Nachricht, dass Streikende aus gewöhnlichen Betrieben mit zehn Jahren Gefängnis bestraft werden, solche aus Waffenfabriken mit der Kugel. Ich bin gespannt, wie und ob es weitergeht.