Dok. 04-054

Der Regierungspräsident in Kalisz (Kalisch) ordnet am 10. Dezember 1939 an, mit der Bildung des Gettos Lodz (Lodsch) zu beginnen

Streng vertraulich!
Bildung eines Ghettos in der Stadt

Streng vertraulich!
Bildung eines Ghettos in der Stadt

Orte
  • Grenze Staatsgrenzen von 1937
  • Grenze Staatsgrenzen und Grenzen der Unionsrepubliken der UdSSR 1938–1941
  • Grenze Deutsch-sowjetische Demarkationslinie im besetzten Polen vom 28. Sept.1939
  • Grenze Grenze zwischen den eingegliederten Gebieten und dem Generalgouvernement
Personen

Friedrich Uebelhoer (1893–1945?), Offizier; 1919 im Freikorps Lettow-Vorbeck; 1922 NSDAP- und 1935 SS-Eintritt; abgebrochenes Jurastudium, 1931 Kreisleiter in Naumburg a.d. Saale, 1933 NSV-Gauamtsleiter in Halle-Merseburg, 1934 OB von Naumburg, Okt. 1939 bis Ende 1942 Reg.Präs. in Kalisch bzw. in Litzmannstadt, wegen eines Konflikts mit Himmler und Greiser beurlaubt und im Sommer 1943 als Regierungspräsident nach Merseburg versetzt; vermutlich 1945 umgekommen.

 

Dr. Walter Moser (*1906), Jurist; 1932 NSDAP- und SS-Eintritt; 1933 Leiter der Stapostelle Braunschweig, 1934 Leiter des Kommunaldezernats im braunschweigischen MdI, 1939 bis Dez. 1942 Leiter der Treuhandnebenstelle Litzmannstadt, zugleich 1939/40 Leiter der Außenstelle Lodsch des Regierungspräsidiums in Kalisch, April 1940 bis Dez. 1942 stellv. Regierungspräsident in Litzmannstadt; wegen Korruption 1943/44 in die Waffen-SS versetzt; nach 1945 Syndikus in Braunschweig.


Vermutlich Karl Gans (*1893), 1939 kommissar. Leiter der Staatspolizeistelle in Lodz.

Skript

Rundschreiben (geheim) des Regierungspräsidenten in Kalisch, Uebelhoer, an die örtlichen Partei- und Polizeibehörden

 

Streng vertraulich!

Bildung eines Ghettos in der Stadt Lodsch

In der Großstadt Lodsch leben m.E. heute ca. 320 000 Juden. Ihre sofortige Evakuierung ist nicht möglich. Eingehende Untersuchungen aller in Frage kommenden Dienststellen haben ergeben, daß eine Zusammenfassung sämtlicher Juden in einem geschlossenen Ghetto nicht möglich ist. Die Judenfrage in der Stadt Lodsch muß vorläufig in folgender Weise gelöst werden:

1. Die nördlich der Linie Listopada/November-Straße, Freiheitsplatz, Pomorska/ Pommersche Straße wohnenden Juden sind in einem geschlossenen Ghetto dergestalt unterzubringen, daß einmal der für die Bildung eines deutschen Kraftzentrums um den Freiheitsplatz benötigte Raum von Juden gesäubert wird, und zum anderen, daß der fast ausschließlich von Juden bewohnte nördliche Stadtteil in dieses Ghetto einbezogen wird.

2. Die im übrigen Teil der Stadt Lodsch wohnenden arbeitsfähigen Juden sind zu Arbeitsabteilungen zusammenzufassen und in Kasernenblocks unterzubringen und zu bewachen.

Die Vorarbeiten und Durchführung dieses Planes soll ein Arbeitsstab ausführen, in den folgende Behörden bezw. Dienststellen Vertreter entsenden:

1. N.S.D.A.P.

2. Außenstelle Lodsch des Regierungspräsidenten zu Kalisch

3. Stadtverwaltung der Stadt Lodsch (Wohnungsamt, Bauamt, Gesundheitsamt, Ernährungsamt usw.)

4. Ordnungspolizei

5. Sicherheitspolizei

6. Totenkopfverband

7. Industrie- und Handelskammer

8. Finanzamt.

Den Vorsitz in diesem Arbeitsstab führe ich selbst, in meiner Abwesenheit vertritt mich der Leiter meiner Außenstelle Lodsch, Herr Oberregierungsrat Dr. Moser. Federführend im Arbeitsstab ist hinsichtlich der Gesamtplanung Herr Kriminalrat Gans. Die obigen Dienststellen melden ihre Vertreter bis zum 16.12.1939.

[…]

Die Erstellung des Ghettos ist selbstverständlich nur eine Übergangsmaßnahme. Zu welchen Zeitpunkten und mit welchen Mitteln das Ghetto und damit die Stadt Lodsch von Juden gesäubert wird, behalte ich mir vor. Endziel muß jedenfalls sein, daß wir diese Pestbeule restlos ausbrennen.