Dok. 12-226

Die 74-jährige Ester Galler schreibt am 19. Juli 1942 ihrem Cousin, dass sie innerhalb der nächsten Wochen aus dem Lager Fünfbrunnen in Luxemburg nach Theresienstadt gebracht werden soll


Lieber Cousin! Es wundert mich schon

Lieber Cousin! Es wundert mich schon

Orte
  • Grenze Staatsgrenzen von 1937
Personen

Ester Galler, geb. Schupak (1868–1943); aus Polen nach Luxemburg emigriert; 1933 verwitwet; von Herbst 1941 an im Lager Fünfbrunnen, sie wurde Anfang April 1943 nach Theresienstadt deportiert, wo sie einen Monat später starb.

 

Ferdinand Grumbach (1871–1942); 1897 aus Baden nach Luxemburg emigriert; seit Herbst 1941 im Lager Fünfbrunnen, am 26.7.1942 wurde er nach Theresienstadt deportiert, Mitte Sept. 1942 nach Treblinka verschleppt und dort ermordet.

 

Albert Galler (1904–1942); Sohn von Ester und Henri Galler; er war im belg. Lager Breendonk inhaftiert, wurde von dort über das Sammellager Mechelen Mitte Sept. 1942 nach Auschwitz deportiert, kam dort um.

 

Blima Kalinsky, geb. Schupak (1874–1943); geb. im heutigen Polen, Schwester von Ester Galler; vermutlich am 28.7.1942 von Fünfbrunnen nach Theresienstadt deportiert, dort gestorben.

Skript

Handschriftl. Brief

 

Lieber Cousin!

Es wundert mich schon, daß ich bis heute keine Antwort auf meinen letzten Brief erhalten habe.

Ich muß Dir leider die traurige Mitteilung machen, daß alle Insassen unseres Heimes evacuiert werden müssen. Es werden in Gruppen abtransportiert dem Alter nach nach Theresienstadt (Böhmen). Wann die Reihe für mich kommen wird, weiß ich noch nicht, allerdings ungefähr binnen 4–5 Wochen.

Du kannst Dir vorstellen meine Aufregung.

Ich bin alt, blind und habe kranke Beine.

Alles muß zurückbleiben, weil mitnehmen kann man nur soviel, wie man tragen kann, außer Bettzeug und Kochgeschirr.

Meine Kinder haben mich gut versorgt, aber ob die mich noch lebendig mal sehen werden, ist eine große Frage, da ich bin nicht im Stande solche Strapazen mitzumachen. Grumbach geht auch fort.

Es ist vielleicht mein letzter Brief, den ich Dir schreibe. Ich küsse und grüße herzlich Deine ganze Familie wie auch Deine Geschwister.

Ester Galler

Meine Kinder hätten mich nicht alleine lassen sollen, um das alles mitmachen zu müssen.

Von Albert habe ich keine Nachricht mehr bekommen.

Ob die Tante Blima mit mir gehen wird, ist nicht sicher.