Dok. 12-195

Werner von Bargen informiert das Auswärtige Amt in Berlin am 11. November 1942 darüber, dass immer weniger Juden in Belgien den Deportationsbefehl befolgen

Auf Grund der in der Judenverordnung des Militärbefehlshabers

Auf Grund der in der Judenverordnung des Militärbefehlshabers

Orte
  • Grenze Staatsgrenzen von 1937
  •  
Personen

Dr. Werner von Bargen (1898–1975), Jurist; 1923–1925 preuß. Justizdienst, von 1925 an im AA (Auswärtigen Amt); 1933 NSDAP-Eintritt; 1937–1943 für das AA in Belgien tätig, danach in Berlin und Paris; 1948–1951 an Landesverwaltungsgerichten in Niedersachsen tätig, 1951–1963 erneut im AA, u. a. Botschafter in Bagdad.

 

Skript

Geheimes Schreiben der Dienststelle des Auswärtigen Amts, Brüssel

 

Betr.: Juden in Belgien

Auf Grund der in der Judenverordnung des Militärbefehlshabers vom 28.10.1940 enthaltenen Verpflichtung haben sich rund 42 000 Männer und Frauen (über 16 Jahre) gemeldet. Hiervon waren 38 000 nichtbelgische Staatsangehörige. Insgesamt dürften 52 000–55 000 Juden einschließlich der nichtmeldepflichtigen Kinder in Belgien gelebt haben. Hiervon sind 15 000 Männer, Frauen und Kinder nach dem Osten abgeschoben worden. Weitere Transporte werden demnächst Belgien verlassen. Unter den Abgeschobenen befinden sich Staatenlose, ehemalige Deutsche, Tschechen, Polen, Holländer, Rumänen, Griechen, Slowaken, Russen, Norweger, Luxemburger, Kroaten und Angehörige der drei baltischen Staaten. Gleichfalls befinden sich auch einige Belgier hierunter, die deswegen verschickt werden, weil sie in der Öffentlichkeit den Judenstern nicht getragen haben.

Zunächst wurde ein „Arbeitseinsatzbefehl“ über die „Judenvereinigung“ den von der Abschiebung Betroffenen zugestellt. Da jedoch im Laufe der Zeit durch Gerüchte über Abschlachten der Juden usw. dem Arbeitseinsatzbefehl nicht mehr Folge geleistet wurde, wurden die Juden durch Razzien und Einzelaktionen erfaßt.

In der letzten Zeit sind illegale Abwanderungen nach Frankreich, insbesondere nach dem unbesetzten Gebiet, und nach der Schweiz festgestellt worden. Vorsichtig geschätzt dürften etwa 3000–4000 Juden nach der Schweiz ausgewandert sein. Genaue Angaben lassen sich jedoch nicht darüber machen.