Dok. 12-168

Der Vorsitzende der Jüdischen Koordinations-Komission in Genf, Mozes Heiman Gans, fordert am 17. November 1944 noch einmal die größtmögliche Hilfe für die niederländischen Juden ein


Die meisten aus den Niederlanden deportierten Juden müssen leider

Die meisten aus den Niederlanden deportierten Juden müssen leider

Orte
  • Grenze Staatsgrenzen von 1937
  • Grenze Staatsgrenzen und Grenzen der Unionsrepubliken der UdSSR 1938–1941
  • Grenze Deutsch-sowjetische Demarkationslinie im besetzten Polen vom 28. Sept.1939
  • Grenze Grenze zwischen den eingegliederten Gebieten und dem Generalgouvernement
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Personen

Mozes Heiman Gans (1917–1978), Antiquitätenhändler für Schmuck; 1942 Flucht aus den Niederlanden in die Schweiz, 1943–1945 Mitglied der JCC (Jüdische Koordinations-Kommission) in Genf; von 1946 an aktiv in der NIK (Niederländisch-Israelitische Glaubensgemeinschaft), 1950–1967 (Chef-)Redakteur des Nieuw Israelitisch Weekblad, 1976–1977 Professor für jüdische Geschichte in Leiden.

 

Saly Mayer (1882–1950), Textilunternehmer; 1929–1936 Sekretär und 1936–1943 Vorsitzender des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds, von 1940 an Vertreter des Joint in der Schweiz.

Skript

Bericht

Die meisten aus den Niederlanden deportierten Juden müssen leider als verloren betrachtet werden. Jedenfalls sehen wir momentan keine einzige Möglichkeit, irgendetwas für sie zu tun.

Etwas anders steht es mit den in Bergen-Belsen und Theresienstadt Internierten, dennoch fragen wir uns besorgt, ob die schlecht ernährten und schlecht bekleideten Menschen es in Bergen Belsen noch einen weiteren Winter werden durchhalten können. Es bedarf keiner weiteren Erörterung, dass alles getan werden muss, sofern nur die geringste Aussicht auf Erfolg besteht.

In letzter Zeit wurden uns Angebote gemacht, mindestens 500 Menschen gegen die Zahlung von SFr 1000,- [Schweizer Franken] pro Person freizulassen. Diese Angebote haben wir mit größter Sorgfalt geprüft. Sie scheinen vertrauenswürdig, da die Zahlungen erst dann erfolgen sollen, wenn die betreffenden Personen die Schweiz erreicht haben. Der Vertreter des War Refugee Board, Mr. Roswell D. McClelland, steht uns wie immer treu zur Seite, aber für die Finanzierung haben wir uns an den Vertreter des Joint, Herrn S. Mayer, wenden müssen. Dieser vertritt den Standpunkt, es handele sich hierbei um eine Aufgabe der niederländischen Regierung. Unserer Ansicht nach ist es aber ausgeschlossen, dass die Regierung derlei unterstützen wird. Es ist uns diesmal noch nicht gelungen, Herrn Mayer – der unserer Regierung sehr kritisch gegenübersteht – von seinem Standpunkt abzubringen. Er findet, dass sich die niederländische Regierung der Ehre ihres Namens würdig erweisen sollte. Im Ergebnis heißt das, dass für die Niederländer – im Gegensatz zu anderen Gruppen – nichts getan wird. Doch wäre es eine Schande, würde irgendwann einmal festgestellt werden, dass diese Menschen hätten gerettet werden können, wenn wir SFr 1000,- pro Person hätten ausgeben können.

Wir appellieren daher dringend an Sie alle, dafür zu sorgen, dass wir innerhalb kürzester Zeit über die notwendigen Mittel verfügen. Ob Sie diese selbst aufbringen wollen oder ob Sie beim Joint intervenieren wollen, können Sie selbst besser beurteilen als wir. Hauptsache ist, dass es geschieht und dass es schnell geschieht. Nochmals sei betont, dass es kein verlorener Beitrag sein wird. In diesem Zusammenhang ist es leider sehr nachteilig, dass wir im Gegensatz zu den Mitgliedern aller anderen nichtniederländischen Kommissionen aufgrund eines Verbots der Regierung die Schweiz nicht verlassen können, um zum Beispiel in Paris oder Brüssel entsprechende Gespräche zu führen.

Wir sollten aufs Engste zusammenarbeiten. Wenn wir die Hilfeleistungen nicht selbst in die Hand nehmen, passiert überhaupt nichts.

Es geht um Menschenleben!