Dok. 12-111

IJnto de Boer kritisiert am 15. März 1943 ihm untergebene niederländische Polizisten, die sich weigern, bei der Deportation von Juden mitzuwirken

Manche glaubten, die Worte des Führers zielten auf die Vernichtung der

Manche glaubten, die Worte des Führers zielten auf die Vernichtung der

Orte
  • Grenze Staatsgrenzen von 1937
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Personen

Richtig: IJnto de Boer (1904–1988), Berufsoffizier; von 1927 an als Lehrer an verschiedenen Militärakademien, 1940 Wechsel zur Marechaussee; 1941 NSB-Eintritt; 1940–1942 Distriktkommandant in Maastricht, 1942–1943 in Groningen, 1944–1945 Stabschef der Polizei-Generaldirektion Nimwegen; er wurde 1945 verhaftet, 1948 zu acht Jahren Haft verurteil, vermutlich 1951 entlassen.

 

Jacob Derk de Witt (*1895), Polizeibeamter; am 13.3.1943 verhaftet und im Lager Vught inhaftiert, im Mai 1944 nach Dachau deportiert, dort 1945 befreit; Rückkehr in die Niederlande.

 

Hanns Albin Rauter (1895–1949), Berufssoldat; 1919–1923 bei Freikorpsverbänden in Österreich und Oberschlesien, 1923–1933 aktiv in antisemitischen Organisationen in Österreich, 1933 Flucht nach Deutschland; 1935 SS-Eintritt; von Mai 1940 an Generalkommissar für das Sicherheitswesen und HSSPF (Höherer SS- und Polizeiführer) in den Niederlanden, dabei u. a. verantwortlich für die Deportation der Juden; im März 1945 bei einem Attentat schwer verwundet; 1948 in den Niederlanden zum Tode verurteilt und 1949 hingerichtet.

Skript

Schreiben des Kommandanten des Marechaussee-Bezirks Groningen an den Abt.-Kommandanten, den Truppenkommandanten Westerbork, den Kommandanten der Verkehrsgruppen, Distriktbüros, Bürovorsteher und Materialverwalter

 

Betreff: Transport von Juden durch die niederländische Polizei.

[…] Manche glaubten, die Worte des Führers zielten auf die Vernichtung der Juden selbst. Das ist natürlich der größtmögliche Unsinn, da man sich dann nicht so viel Mühe zu geben bräuchte, die ohnehin knappen Transportmittel für ihre Verschickung zur Verfügung zu stellen, und ebenso wenig müsste man die kranken Juden mit Krankenwagen in ein gesondertes Krankenlager bringen.

Tatsächlich wird keinem einzigen Juden, wenn er sich nicht widersetzt, auch nur ein Haar gekrümmt. Man vermeidet sogar jede unnötige Härte, indem man die Familien beim Transport zusammenhält.

Obwohl dies allen Polizisten hätte bekannt sein müssen, haben sich dennoch einige Marechaussee-Beamte, alles Angehörige der Gruppe Grootegast, geweigert, den ihnen erteilten Befehlen Folge zu leisten.

Nachdem zunächst der Abteilungskommandant versucht hat, besagte Beamte zur Erfüllung ihrer Pflichten zu bewegen, wurden sie am Abend von mir persönlich auf ihre unangemessene Haltung hingewiesen. Danach blieb ihnen eine Nacht Bedenkzeit, um sich zu besinnen. Am nächsten Morgen wurde einer nach dem anderen in Anwesenheit deutscher Polizeibeamter noch einmal vor die Wahl gestellt, den erteilten Befehl sofort auszuführen oder in ein Konzentrationslager überstellt zu werden. Leider zeigte sich, dass der Gruppenkommandant, Unterleutnant de Witt, und zehn seiner Männer, darunter drei Feldwächter, so von kommunistischen Flugblättern, Kanzelreden oder der Propaganda des englischen Radios aufgewiegelt waren, dass sie sich weiterhin weigerten.

Auf Befehl des Generalkommissars für das Sicherheitswesen wurden sie daraufhin sofort und ohne Anspruch auf Pension oder andere Einkünfte aus dem Dienst entlassen und ins Konzentrationslager Vught verbracht, von wo aus sie später nach Deutschland zum Arbeitseinsatz in Maschinenfabriken transportiert werden sollen.

Mit dieser bedauerlichen halsstarrigen Haltung, die etliche Familien in großes Unheil stürzt, haben die Betroffenen ihrer Truppe und ihrem Volk zudem einen sehr schlechten Dienst erwiesen.

Derlei Auftritte führen dazu, dass die Besatzungsmacht die niederländische Polizei für vollkommen unzuverlässig hält, und sich gezwungen sehen könnte, die niederländische Polizei außer Dienst zu stellen und zum Arbeitsdienst nach Deutschland zu schaffen. Die Polizeiaufgaben könnten dann der deutschen Polizei übertragen werden, die, wie mir zu Ohren kam, bereits ein Bataillon in Assen untergebracht hat. Was dies für unser Volk bedeutet, brauche ich nicht auszuführen. […]