Dok. 07-168

Roza I. Golub schreibt ihrem Mann am 28. August 1942 vor der Ermordung der Juden von Majkop einen letzten Brief

Lieber Kolja! Heute verabschiede

Lieber Kolja! Heute verabschiede

Orte
  • Grenze Staatsgrenzen von 1937
  • Grenze Staatsgrenzen und Grenzen der Unionsrepubliken der UdSSR 1938–1941
  • Grenze Deutsch-sowjetische Demarkationslinie im besetzten Polen vom 28. Sept.1939
  • Grenze Grenze zwischen den eingegliederten Gebieten und dem Generalgouvernement
  •  
Personen

Roza Isaakovna Golub (1917–1942).

 

Gemeint ist ihre Schwester Vera Isaakovna Golub (1922–1942); auch ihre jüngere Schwester Bela Isaakovna Golub (1929–1942) wurde ermordet.

Skript

Handschriftl. Brief

 

Lieber Kolja!

Heute verabschiede ich mich von meiner Familie und folglich auch von Dir; ich lasse meine lieben Kinder Lilja und Ženja zurück, ich verlasse sie wahrscheinlich für immer. Es kann natürlich sein, dass ich das alles überlebe, aber ich bin mir dessen nicht sicher, niemand ist sich sicher. Mir ist sehr schwer ums Herz. Ich schreibe diesen Brief, und meine Tränen fließen in Strömen. Mein Leben dauerte nur 25 Jahre, es war schön, aber sehr kurz.

Der einzige helle Lichtstrahl in meinem Leben war meine Liebe zu Dir. Bei Dir fühlte ich mich immer wohl. Ich liebe Dich. Und in meinen letzten Lebensminuten werde ich an Dich denken. Wenn Du nach Hause kommst und die Familie noch lebend vorfinden solltest, habe ich eine einzige Bitte an Dich: Überlass die Kinder nicht ihrem Schicksal. Sie wachsen jetzt ohne Vater und Mutter auf. Ich überlasse sie der Aufsicht ihrer Großmutter. Ich weiß, sie wird es mit ihnen sehr schwer haben, aber ich möchte nicht riskieren, sie mit mir zu nehmen. Ich weiß selbst nicht, was mich erwartet. Solange Deine Mutter noch lebt, werde ich bis zu meinem letzten Atemzug wissen, dass sie es gut haben, dass sie sie beschützen wird und dass sie satt werden.

Deine Mutter ist ein Engel. Ich habe sie immer aufrichtig geliebt und geehrt, sie war mir wie eine leibliche Mutter, das werde ich ihr nie vergessen. Sei also unseren Waisenkindern ein guter Vater. Solltest Du eine Ehefrau finden, und das ist sehr wahrscheinlich, hoffe ich, dass Du die Kinder nicht leiden lässt, sie sind noch zu jung, um das zu überleben; es gibt alle möglichen bösen Menschen. Jetzt ist es bereits Nacht, und ich sitze und schreibe. Das ist die letzte Nacht zu Hause. Morgen, am 29.8.42 um 8 Uhr morgens, werden wir abtransportiert. Mit mir fährt Vera mit ihrem Sohn. Über die näheren Umstände wird dir Mama mehr berichten. Es ist die letzte Nacht! Ich weiß nicht, was morgen passieren wird.

Lebe wohl, mein Lieber. Beschütze die Kinder. Und erinnere Dich im Guten an mich. Ich küsse Dich von ganzem Herzen.

Roza

Lass uns das Beste hoffen.

Lebt wohl, meine Kinder!