Dok. 05-205

Der Justizminister der Exilregierung fordert den Gesandten Luxemburgs in Washington am 8. Februar 1941 auf, sich um Asylmöglichkeiten für verfolgte luxemburgische Juden zu bemühen


Sehr geehrter Herr Minister, direkt aus Lissabon erreicht uns die

Sehr geehrter Herr Minister, direkt aus Lissabon erreicht uns die

Orte
  • Grenze Staatsgrenzen von 1937
Personen

Victor Bodson (1902–1984), Jurist; von 1934 an Mitglied der luxemburg. Abgeordnetenkammer, 1940–1947 Minister für Justiz, Verkehr und Öffentliche Arbeiten, ging 1940 mit Regierung und Großherzogin ins Exil; 1951–1959 erneut Justizminister, 1962–1964 Staatsrat, 1964 Präsident der Abgeordnetenkammer; im Juli 1967 Mitglied der EG (Europäischen Gemeinschaft)-Kommission.

 

Hugues Le Gallais (1896–1964), Diplomat; von 1919 an für die Verkaufsgesellschaft Comptoir Métallurgique Luxembourgeois tätig, 1927–1938 Leiter der Niederlassung in Tokio; April 1940 bis 1958 Geschäftsträger Luxemburgs in Washington, 1949–1958 zugleich bevollmächtigter Vertreter Luxemburgs gegenüber Kanada; von 1956 an für den Internationalen Währungsfonds tätig.

Skript

Schreiben von Victor Bodson, Montréal, an Hugues Le Gallais, Ministre du Grand-Duché de Luxembourg, Washington D.C.

 

Sehr geehrter Herr Minister,

direkt aus Lissabon erreicht uns die aus einer luxemburgischen Quelle stammende Nachricht, dass sämtliche Luxemburger jüdischer Herkunft das Großherzogtum bis zum dreißigsten April dieses Jahres verlassen müssen. Es handelt sich insgesamt um maximal 500 Personen, Männer, Frauen und Kinder. Ein Teil wurde bereits aus Luxemburg ausgewiesen. Etwa 150 von ihnen befinden sich im Konzentrationslager Gurs, das ich Ihnen bereits in meinem Brief vom 7. Dezember 1940, den Sie am 10.12. an den Geschäftsträger Brasiliens übergaben, beschrieben habe. Für diese Menschen muss für die Dauer des Krieges Asyl gefunden werden.

Ich stehe mit den Hilfsorganisationen der amerikanischen Juden in Verbindung und habe die Zusage, dass sie, soweit dies nötig sein sollte, die Kosten für die Überfahrten und den Unterhalt übernehmen. Deshalb möchte ich Sie bitten, eine Note zur Situation unserer unglücklichen Landsleute zu verfassen. Völlig ihrer Habe beraubt und in den Konzentrationslagern mit dem Tode ringend, besteht ihr einziges Verbrechen darin, der jüdischen Religion anzugehören. Bitte lassen Sie diese Note den in Washington akkreditierten diplomatischen Vertretern der Staaten Südamerikas, Zentralamerikas, Mexikos, Belgiens und der Niederlande zukommen, entsprechend der Note, die Sie am 10. Dezember an den Vertreter Brasiliens geschickt haben.

Könnten Sie Ihre Kollegen bitten, bei ihren jeweiligen Regierungen anzufragen, wie viele Visa gewährt und wie sich die Aufnahmebedingungen für einen Teil dieser Unglücklichen gestalten würden? Selbstverständlich würden die Visa nicht ohne schriftliche Garantien – eventuell sogar abgesichert durch ein Bargelddepot – geliefert, um zu verhindern, dass die zugelassene Person versuchen würde, dauerhaft in dem Land sesshaft zu werden und dann der Regierung, die sich zur Ausstellung von Visa bereit erklärt, zur Last fällt. Darüber hinaus verpflichtet sich die luxemburgische Regierung in jedem Einzelfall, den Emigrant nach der Wiedereinsetzung der Regierung in Luxemburg aufzunehmen.

Bitte teilen Sie mir die Namen der Länder mit, an die Sie die Note senden, sowie die eintreffenden Antworten.

Seien Sie meiner Hochachtung versichert.