Dok. 04-062

Der SS-Sturmbannführer Richter berichtet am 16. Dezember 1939 über die Vertreibung von Juden und Polen aus Lodsch (Lodz)

In der Stadt Lodsch war die Evakuierung von insgesamt

In Ergänzung der Ihnen bereits mit Erlaß vom

Orte
  • Grenze Staatsgrenzen von 1937
  • Grenze Staatsgrenzen und Grenzen der Unionsrepubliken der UdSSR 1938–1941
  • Grenze Deutsch-sowjetische Demarkationslinie im besetzten Polen vom 28. Sept.1939
  • Grenze Grenze zwischen den eingegliederten Gebieten und dem Generalgouvernement
Personen

Albert Richter (1897–1945?), Kriminalpolizist; Leiter der Gestapodienststelle im Getto Litzmannstadt, stellv. Leiter des „Judenreferats“ II B 4, später IV B 4 der Stapostelle in Lodz, 1941/42 Organisator der Deportationen in das Vernichtungslager Kulmhof (Chelmo) im Jan. 1944 nach Dienststrafverfahren in das SS- und Polizeilager Danzig-Matzkau eingewiesen; 1945 verschollen.

Skript

Bericht über die in Lodsch vom 12. Dezember bis zum 16. Dezember durchgeführte Evakuierung von Polen und Juden.

In der Stadt Lodsch war die Evakuierung von insgesamt 15 000 Polen und Juden für Dezember vorgesehen worden. In erster Linie sollten politisch verdächtige und intellektuelle Polen evakuiert werden. Bei der Erfassung dieser Polen durch Listen stellten sich erhebliche Schwierigkeiten in den Weg. Das ursprüngliche gute Listenmaterial war nach Angabe des Sicherheitsdienstes Lodsch der damaligen Einsatzgruppe der geheimen Staatspolizei übergeben worden. Dort sind auf Grund der Listen etwa nur 5000 Karteikarten angefertigt worden, das andere umfangreiche Listenmaterial konnte von der geheimen Staatspolizei nicht mehr erlangt werden. Es war daher dem Sicherheitsdienst nur in einem geringen Umfang möglich, Evakuierungslisten rechtzeitig anzufertigen. […]

Um die Zahl von 15 000 Personen aufzufüllen, mußte daher auf Juden zurückgegriffen werden. Mit dem jüdischen Ältestenrat in Lodsch wurde zwecks freiwilliger Stellung von auswanderwilligen Juden im Lager von Radogosz verhandelt. Bisher mögen etwa 1000 Juden sich freiwillig gestellt haben. Auf Grund einer Rücksprache mit dem Oberbürgermeister und dem Polizeipräsidenten wurde als der einzige gangbare Weg beschlossen, nachts im Judenviertel einzelne Häuserblocks zu umstellen und zu räumen. Demzufolge wurde am 14.12.39, um 20.30 Uhr […] mit der Aktion begonnen. Der Erfolg war überraschend groß. Es wurden bei dieser Aktion bis früh um 4 Uhr schätzungsweise 7000 Juden erfaßt und mittels Transportzügen der Straßenbahn in das Lager Radogosz und in das Konzentrationslager der Stapo befördert. Verabredungsgemäß wurden diese Juden, bis auf 500, die nicht mehr mit der Eisenbahn fortgeschafft werden konnten, am folgenden Tage – also am 15.12.39 – durch drei Züge in das Gouvernement abtransportiert, und zwar ging um 18 Uhr ein Zug mit 1500 (nach meiner Berechnung mit 1850) Personen ab, um 19.31 [Uhr] ein Zug mit 1700 Personen und um 23.05 Uhr ein Zug mit 2406 Personen.

[…]

Der Transport der Juden fand am 15.12.39 vorwiegend in Güterwagen statt, deren Zahl sich auf etwa 90 belief. Ich habe wiederholt vor den Vertretern des Oberbürgermeisters in energischer Form auf das Fehlen von Stroh in den vorhergehenden Zügen aufmerksam gemacht. Die Vorsorge der Stadt in diesem Punkte war folgende: am 15.12.39 nachmittags teilte mir der mit der Verladung der Juden beauftragte Polizeiführer auf dem Kalischen Bahnhof mit, daß 3 (drei) Wagen mit Stroh auf dem Bahnhofe erschienen wären, mangels irgendwelcher Vereinbarungen und Weisungen wären diese Wagen aber wieder abgerückt und wieder verschwunden. Wie mir heute, am 16.12.39, Dr. Alsleben mitteilte, wären diese 3 Fuhren Stroh, die wohlgemerkt für 90 Güterwagen ausreichen sollten, irgendwo am Kalischen Bahnhof bereitgestellt worden, die Reichsbahn hätte sich aber geweigert, das Stroh in die Güterwagen einzuladen. Ich wies darauf hin, daß es die Pflicht der Stadt und nicht der Reichsbahn gewesen wäre, für die Versorgung der Güterwagen mit ausreichendem Stroh zu sorgen. Da die Transporte am 15.12. und auch an dem 14. nachts bei schneidender Kälte vor sich gegangen waren, fällt das Versagen der Stadtverwaltung in diesem Punkte umso schwerer ins Gewicht. Es wird infolge mangelnder Fürsorge an Stroh und Lebensmitteln damit gerechnet werden müssen, daß nicht alle transportierten Personen, insbesondere die Säuglinge, den Zielbahnhof lebend erreichen.

[…]