Dok. 03-278

Der Oberlandrat in Jitschin möchte am 10. Juni 1940 Juden aus ihren Wohnungen vertreiben und in gesonderten Wohngebieten konzentrieren

Freimachung der Judenwohnungen.
Bei Besichtigung jüdischer Betriebe und

Freimachung der Judenwohnungen.
Bei Besichtigung jüdischer Betriebe und

Orte
  • Grenze Staatsgrenzen von 1937
  • Grenze Grenzen der Oberlandratsbezirke nach der Gebietsreform von 1940 (im Protektorat Böhmen und Mähren)
Personen

Adolf Möller (*1901), Verwaltungsbeamter; von 1925 an im preuß. Verwaltungsdienst; 1933 NSDAP- und SS-Eintritt; 1933 komm. Bürgermeister von Beuel am Rhein, 1933–1935 politischer Dezernent bei der Regierung Köln; 1935 Regierungsrat; 1935–1937 in der Regierung Merseburg, 1937/38 in der Regierung Arnsberg, Okt. 1938 bis März 1939 Leiter der Wirtschaftsabt. der Regierung Karlsbad, von März 1939 an Oberlandrat von Jitschin.

Skript

Schreiben an die Bezirkshauptmänner im Oberlandratsbezirk Jitschin

 

Betrifft: Freimachung der Judenwohnungen.

Bei Besichtigung jüdischer Betriebe und jüdischer Wohnungen habe ich festgestellt, daß die Juden, insbesondere in den Bezirksstädten, meist die größten und besten Wohnungen im Ort innehaben. Demgegenüber lebt die nichtjüdische Bevölkerung, vor allem auch die deutsche Bevölkerung, vielfach in Wohnungen, die für ihre Familienverhältnisse viel zu klein und im Zustand oft unwürdig sind.

Mit Rücksicht auf diese ungerechte Verteilung des Wohnraumes ist es gerechtfertigt und notwendig, die Wohnungen der Juden zusammenzulegen, um hierdurch Wohnraum für die nichtjüdische Bevölkerung freizumachen. Ebenso sind Doppelwohnungen der Juden rücksichtslos zu beseitigen. Es muß dies in der Weise geschehen, daß mehrere jüdische Familien, die bisher je eine Wohnung innehaben, in einer einzigen Wohnung untergebracht werden. Dabei können vielfach auch leerstehende und anderweitig nicht verwendbare Gebäude, z. B. Fabrikgebäude oder landwirtschaftliche Gebäude, Lagerräume u. dgl., an Stelle von Wohnungen verwendet werden. Rechtsgrundlage für diese Maßnahmen ist das Staatsverteidigungsgesetz.

Bei der Zusammenlegung jüdischer Familienwohnungen ist möglichst darauf zu achten, daß alle jüdischen Familien einheitlich in bestimmten Straßen oder Häusern untergebracht werden. Es soll auf diese Weise vermieden werden, daß die Judenwohnungen über das ganze Stadtgebiet verstreut sind.

Verfahrensmäßig ist bei diesen Maßnahmen so vorzugehen, daß die Herren Bezirkshauptleute sich zunächst mit den Vorstehern der örtlichen jüdischen Kultusgemeinden in Verbindung setzen und es diesen Vorstehern überlassen, zunächst von sich aus Vorschläge einzureichen. Wenn diese Vorschläge den Anforderungen nicht entsprechen, sind den Vorstehern der jüdischen Kultusgemeinden weitere Auflagen zu machen. Es ist selbstverständlich, daß in erster Linie die besten und schönsten Wohnungen freigemacht werden müssen. Auch bei der Durchführung der Wohnungszusammenlegung sind die Vorsteher der jüdischen Kultusgemeinden entsprechend unter behördlicher Aufsicht zu beteiligen.

Auf diese Weise freiwerdende Wohnungen sind in erster Linie für die am Ort befindlichen Deutschen bestimmt, die im Besitz unzureichender oder schlechter Wohnungen sind. Zu diesem Zwecke haben sich die Herren Bezirkshauptleute mit den zuständigen Ortsgruppenleitern der NSDAP und mit den deutschen Bezirks- oder Gemeindevertretern in Verbindung zu setzen, damit ihnen von deutscher Seite Wohnungsreflektanten namhaft gemacht werden. Die Verwertung der freigewordenen Wohnungen darf nur mit schriftlicher Zustimmung des zuständigen Ortsgruppenleiters der NSDAP erfolgen. Der von deutscher Seite nicht beanspruchte Wohnraum ist der tschechischen Bevölkerung zur Verfügung zu stellen.

Die vorstehend dargelegten Maßnahmen sind in erster Linie für die Bezirksstädte gedacht. Es muß jedoch unter allen Umständen vermieden werden, daß sich in Verfolge dieser Maßnahmen die Juden aus den Bezirksstädten in die Landgemeinden verziehen. Demzufolge müssen erforderlichenfalls die gleichen Maßnahmen auch für diejenigen Städte mit Landgemeinden durchgeführt werden, in denen jüdische Wohnungen vorhanden sind, auch wenn am Ort keine Deutschen wohnen.

Über das Ergebnis Ihrer Maßnahmen wollen Sie mir bis zum 30.6. berichten und dabei angeben, wieviel bisher jüdische Wohnungen freigemacht werden konnten und wem diese Wohnungen zugewiesen wurden. Ich erwarte von Ihnen, daß Sie sich bei den von mir angeordneten Maßnahmen nicht von falschen Sentimentalitäten beeinflußen lassen, sondern sich die sachliche Notwendigkeit zur Beseitigung des allgemeinen Wohnungselendes vor Augen halten.

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